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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Eifer und das Wohlbehagen, mit welchem er die unsinnige Konjektur des Professors niederschrieb, gegen sich aufgebracht hatte. Als ich nun diese Äußerung „Pfui Teufel, wie riecht’s hier!“ die ich in jenem Augenblick aus des Theologen Munde nur auf mich, als den „Herrn im Kot“, bezog, hörte, sagte ich ihm ziemlich stark, daß ich mir solche Gemeinheiten und Anzüglichkeiten verbitte.

Nach dem uralten heiligen Gesetzbuche der „Burschen“, das man Komment heißt, war dies eine Beschimpfung, die nur mit Blut abgewaschen werden konnte. Der Theologe, ein tüchtiger Raufer, ließ mich daher am andern Tage sogleich fordern. Ein solcher Spaß war mir erwünscht, denn wer sein Ansehen unter seinen Kommilitonen behaupten wollte, mußte sich damals geschlagen haben, obgleich das Duell an sich von meinen Freunden als etwas Unvernünftiges, Unnatürliches angesehen wurde. Ich hatte meinen Gegner bestimmen lassen, die Sache in einem Vergnügungsort, eine Stunde vor der Stadt, auszumachen, und beide Partien erschienen zur bestimmten Zeit an Ort und Stelle.

Feierlich wurde jeder einzelne in ein Zimmer geführt, der Oberrock ihm ausgezogen und der „Paukwichs“, das heißt die Rüstung, in welcher das Duell vor sich gehen sollte, angelegt. Diese Rüstung oder der Paukwichs bestand in einem Hut mit breiter Krempe, die dem Gesicht hinlänglichen Schutz verlieh, einer ungeheuern, fußbreiten Binde, die über den Bauch geschnallt wurde; sie war von Leder, gepolstert und mit der Farbe der Verbindung, zu welcher man gehörte, ausgeschmückt; eine ungeheure Krawatte, wogegen Herrn Studiosus Würgers ein Groschenstrick war, stand steif um die Gegend des Halses und schützte Kinn, Kehle, einen Teil der Schultern und den obern Teil der Brust. Den Arm vom Ellbogen bis zur Hand bedeckte ein aus alten seidenen Strümpfen verfertigtes Rüstzeug, Handschuh genannt. Ich gestehe, die Figur, in diese sonderbare Rüstung gepreßt, nahm sich komisch genug aus, doch gewährte sie große Sicherheit, denn nur ein Teil des Gesichtes, der Oberarm und ein Teil der Brust war für die Klinge des Gegners zugänglich. Ich konnte mich daher des Lachens nicht enthalten, wenn ich im Spiegel meinen sonderbaren Habit betrachtete; „der Satan in einem solchen Aufzuge [233] und im Begriff, sich wegen des schlechten Geruchs auf der Anatomie zu schlagen!“

Meine Genossen aber nahmen dieses Lachen für einen Ausbruch der Kühnheit und des Muts, gedachten, es sei jetzt der rechte Augenblick gekommen, und führten mich in einen großen Saal, wo man mit Kreide die gegenseitige feindliche Stellung auf dem Boden markiert hatte. Ein Fuchs rechnete es sich zur hohen Ehre, mir den „Schläger“ vorantragen zu dürfen, wie man den alten Kaisern Schwert und Zepter vorantrug. Jener war eine aus poliertem Stahl schön gearbeitete Waffe mit großem, schützendem Korb und scharf geschliffen wie ein Schermesser.

Wir standen endlich einander gegenüber; der Theologe machte ein grimmiges Gesicht und blickte mit einem Hohn auf mich, der mich nur noch mehr in dem Vorsatz bestärkte, ihn tüchtig zu zeichnen.

Wir legten uns nach alter Fechterweise aus, die Klingen waren gebunden, die Sekundanten schrien „los“, und unsere Schläger schwirrten in der Luft und fielen rasselnd auf die Körbe. Ich verhielt mich meistens parierend gegen die wirklich schönen und mit großer Kunst ausgeführten Angriffe des Gegners, denn mein Ruhm war größer, wenn ich mich von Anfang nur verteidigte, und erst im vierten, fünften Gang ihm eine Schlappe gab.

Allgemeine Bewunderung folgte jedem Gang; man hatte noch nie so kühn und schnell angreifen, noch nie mit so vieler Ruhe und Kaltblütigkeit sich verteidigen sehen. Meine Fechtkunst wurde von den ältesten „Häusern“ bis in den Himmel erhoben, und man war nun gespannt und begierig, bis ich selbst angreifen würde; doch wagte es keiner, mich dazu aufzumuntern.

Vier Gänge waren vorüber, ohne daß irgendwo ein Hieb blutig gewesen wäre. Ehe ich zum fünften aufmarschierte, zeigte ich meinen Kameraden die Stelle auf der rechten Wange, wohin ich meinen Theologen treffen wolle. Dieser mochte es mir ansehen, daß ich jetzt selbst angreifen werde, er legte sich so gedeckt als möglich aus und hütete sich, selbst einen Angriff zu machen. Ich begann mit einer herrlichen Finte, der ein allgemeines Ah! folgte, schlug dann einige regelmäßige Hiebe, und klapp! saß ihm mein Schläger in der Wange.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 232–233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_118.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)