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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Schneider?“ – „Ja, so ist es“, antwortete die Sultanin; „aber was willst du damit?“

„Was meint Ihr“, fuhr jene fort, „wenn dieser Betrüger Eurem Sohn seinen eigenen Namen aufgeheftet hätte? – Und wenn dies ist, so gibt es ein herrliches Mittel, den Betrüger zu fangen, das ich Euch ganz im geheim sagen will.“ Die Sultanin bot ihrer Sklavin das Ohr hin, und diese flüsterte ihr einen Rat zu, der ihr zu behagen schien; denn sie schickte sich an, sogleich zum Sultan zu gehen.

Die Sultanin war eine kluge Frau, welche wohl die schwachen Seiten des Sultans kannte und sie zu benützen verstand. Sie schien daher ihm nachgeben und den Sohn anerkennen zu wollen, und bat sich nur eine Bedingung aus; der Sultan, dem sein Aufbrausen gegen seine Frau leid that, gestand die Bedingung zu, und sie sprach: „Ich möchte gerne den beiden eine Probe ihrer Geschicklichkeit auferlegen. Eine andere würde sie vielleicht reiten, fechten oder Speere werfen lassen; aber das sind Sachen, die ein jeder kann; nein, ich will ihnen etwas geben, wozu Scharfsinn gehört. Es soll nämlich jeder von ihnen einen Kaftan und ein Paar Beinkleider verfertigen, und da wollen wir einmal sehen, wer die schönsten macht.“

Der Sultan lachte und sprach: „Ei, da hast du ja etwas recht Kluges ausgesonnen. Mein Sohn sollte mit deinem wahnsinnigen Schneider wetteifern, wer den besten Kaftan macht? Nein, das ist nichts.“

Die Sultanin aber berief sich darauf, daß er ihr die Bedingung zum voraus zugesagt habe, und der Sultan, welcher ein Mann von Wort war, gab endlich nach, obgleich er schwur, wenn der wahnsinnige Schneider seinen Kaftan auch noch so schön mache, könne er ihn doch nicht für seinen Sohn erkennen.

Der Sultan ging selbst zu seinem Sohn und bat ihn, sich in die Grillen seiner Mutter zu schicken, die nun einmal durchaus einen Kaftan von seiner Hand zu sehen wünsche. Dem guten Labakan lachte das Herz vor Freude; wenn es nur an dem fehlt, dachte er bei sich, da soll die Frau Sultanin bald Freude an mir erleben.

[161] Man hatte zwei Zimmer eingerichtet, eines für den Prinzen, das andere für den Schneider; dort sollten sie ihre Kunst erproben, und man hatte jedem nur ein hinlängliches Stück Seidenzeug, Schere, Nadel und Faden gegeben.

Der Sultan war sehr begierig, was für ein Ding von Kaftan wohl sein Sohn zutage fördern werde; aber auch der Sultanin pochte unruhig das Herz, ob ihre List wohl gelingen werde oder nicht. Man hatte den beiden zwei Tage zu ihrem Geschäft ausgesetzt; am dritten ließ der Sultan seine Gemahlin rufen, und als sie erschienen war, schickte er in jene zwei Zimmer, um die beiden Kaftan und ihre Verfertiger holen zu lassen. Triumphierend trat Labakan ein und breitete seinen Kaftan vor den erstaunten Blicken des Sultans aus. „Siehe her, Vater“, sprach er, „siehe her, verehrte Mutter, ob dies nicht ein Meisterstück von einem Kaftan ist? Da lass’ ich es mit dem geschicktesten Hofschneider auf eine Wette ankommen, ob er einen solchen herausbringt.“

Die Sultanin lächelte und wandte sich zu Omar: „Und was hast du herausgebracht, mein Sohn?“ Unwillig warf dieser den Seidenstoff und die Schere auf den Boden. „Man hat mich gelehrt, ein Roß zu bändigen und einen Säbel zu schwingen, und meine Lanze trifft auf sechzig Gänge ihr Ziel – aber die Künste der Nadel sind mir fremd! Sie wären auch unwürdig für einen Zögling Elfi Beis, des Beherrschers von Kairo.“

„O, du echter Sohn meines Herrn“, rief die Sultanin. „Ach, daß ich dich umarmen, dich Sohn nennen dürfte! Verzeihet, mein Gemahl und Gebieter“, sprach sie dann, indem sie sich zum Sultan wandte, „daß ich diese List gegen Euch gebraucht habe. Sehet Ihr jetzt noch nicht ein, wer Prinz und wer Schneider ist? Fürwahr, der Kaftan ist köstlich, den Euer Herr Sohn gemacht hat, und ich möchte ihn gerne fragen, bei welchem Meister er gelernt habe!“

Der Sultan saß in tiefen Gedanken, mißtrauisch, bald seine Frau, bald Labakan anschauend, der umsonst sein Erröten und seine Bestürzung, daß er sich so dumm verraten habe, zu bekämpfen suchte. „Auch dieser Beweis genügt nicht“, sprach er. „Aber

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 160–161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_082.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)