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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„aber Ihr wollt es so haben, so höret: der Mensch, der in jener Nacht in diesem Zimmer bei mir saß, – es war ein böses Ding mit ihm. Der hatte seine Seele dem Bösen verhandelt, und es war dabei bedingt, daß er sich loskaufen könnte durch eine andere Seele. Schon viele hatte er auf dem Korn gehabt, aber allemal waren sie ihm wieder entgangen. Mich faßte er besser. Ich war wild aufgewachsen ohne Unterricht, und das Leben im Kriege ließ mich nicht viel nachdenken; wenn ich so über ein Schlachtfeld ritt, und der Mondschein fiel herab, und Freund und Feind niedergemähet dalagen, da dachte ich: sie sind jetzt halt tot und leben nicht mehr; von der Seele hielt ich nicht viel und von Himmel und Hölle noch weniger. Aber weil man so kurz lebt, wollt’ ich ’s Leben recht genießen, und Wein und Spiel war mein Element. Das hatte mir der Höllenknecht abgemerkt und sprach zu mir in jener Nacht: ‚So zwanzig, dreißig Jahr zu leben in diesem Kellerreich, in diesem Weinhimmel zu trinken nach Herzenslust, nicht wahr, Balthasar, das müßt’ ein Leben sein?‘ – ‚Ja, Herr‘, sprach ich, ‚aber wie könnte ich dies verdienen?‘ – ‚An was liegt dir mehr‘, fuhr er fort, ‚hier recht zu leben nach Herzenslust auf der Erde, hier im Keller, oder an den Geschichten, die sich nachher begeben, wo man gar nicht weiß, ob man nur noch lebt und Wein trinkt?‘ Ich that einen gräßlichen Schwur und sagte: ‚Meine Gebeine werden dahinfahren, wo die Gebeine meiner Gesellen liegen; ist der Mensch tot, so fühlt er nicht und denkt nicht; hab’ es an manchem Kameraden erlebt, dem die Kugel das Hirn zerschmetterte, darum will ich leben und lustig sein.‘ Er aber sprach zu mir: ‚Wenn du Verzicht leisten willst auf das, was nachher kömmt, so ist es ein Leichtes, dich hier zum Kellermeister zu machen, schreib’ nur deinen Namen in dies Büchlein und thue einen recht tüchtigen Schwur dazu.‘ – ‚Was nachher mit mir geschieht, das kümmert mich nicht‘, sprach ich; ‚Kellermeister will ich hier sein immerdar und ewiglich, solang’ ich bin, und der Teufel oder wer will kann das andere haben alles, wenn sie mich einst einscharren.‘

Als ich so gesprochen, waren wir nicht mehr zu zwei, sondern ein dritter saß neben mir und hielt mir das Büchlein hin [43] zum Unterschreiben; der aber, der dies that, war nicht der Zirkelschmied, sondern ein anderer.

„Wer war es denn? sag’ an!“ riefen die Apostel ungeduldig.

Die Augen des alten Kellermeisters funkelten greulich, und seine bleichen Lippen bebten; er setzte mehreremal an, um zu sprechen, aber ein Krampf schien ihm die Kehle zuzuschnüren. Da blickte er auf einmal fest und mutig in eine dunkle Ecke, trank sein Glas aus und warf es an die Erde. „Was hilft alle Reue, alter Balthasar“, sprach er, indem große Thränen in seinen Wimpern hingen; „der bei mir saß – war der Teufel.

Es war bei diesen Worten unheimlich, bis zur Verzweiflung unheimlich in dem Gemach; die Apostel schauten ernst und schweigend in ihre Römer, Bacchus hatte das Gesicht in die Hände gedrückt, und die Rose war bleich und stille. Kein Atemzug rührte sich, man hörte nur, wie in dem Totenkopf des Alten die Zähne schaudernd aneinander klapperten.

„Mein Vater hatte mich gelehrt, meinen Namen zu schreiben, als ich noch ein kleiner, frommer Knabe war; ich unterschrieb ihn ins Buch, das mir der andere mit seinen Krallen vorhielt. Von da an ging mir ein Leben auf in Saus und Braus; in ganz Bremen gab es keinen Mann so fröhlich als den Kellermeister Balthasar, und getrunken hab’ ich, was der Keller Gutes und Köstliches hatte. Zur Kirche ging ich nie, sondern wenn sie zusammenläuteten, schritt ich hinab zum besten Faß und schenkte mir ein nach Herzenslust. Als ich alt wurde, kam oft ein Grauen über mich, und es fröstelte mir durch die Glieder, wenn ich ans Sterben dachte; hatte zwar kein Weib, das um mich jammerte, aber auch keine Kinder, die mich trösteten, da trank ich denn, wenn die Todesgedanken über mich kamen, bis ich von Sinnen war und schlief. So trieb ich’s lange Jahre, mein Haar ward grau, meine Glieder schwach, und ich sehnte mich, zu schlafen im Grabe. Da war mir eines Tages, als sei ich erwacht und könne doch nicht recht erwachen; die Augen wollten sich nicht aufthun, die Finger waren steif, als ich mich aus dem Bette heben wollte, und die Beine lagen starr wie ein Stück Holz. An mein Bett aber traten Leute, betasteten mich und sprachen: ‚Der alte Balthasar ist tot.‘

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 42–43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_023.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)