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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

die Sonne scheinen in hellem Frühling, oder schneien und regnen im Winter, jeden Abend waren die Stübchen dort gefüllt mit frohen Gästen. Hier, wo wir jetzt sitzen, saß in Würde und Hoheit der Senat von Bremen. Stattliche Perücken auf dem Haupt, die Wehre an der Seite, Mut im Herzen und jeder einen Römer vor sich.

Hier, hier, nicht oben auf der Erde, hier war ihr Rathaus, hier die Halle des Senats; denn hier beim kühlen Weine berieten sie sich über das Wohl der Stadt, über ihre Nachbarn und dergleichen. Wenn sie uneinig in der Meinung waren, so stritten sie sich nicht mit bösen Worten, sondern tranken einander wacker zu, und wenn der Wein ihre Herzen erwärmt hatte, wenn er fröhlich durch ihre Adern hüpfte, da war der Beschluß schnell zur Reife gediehen, sie drückten sich die Hände, sie waren und blieben immer Freunde, weil sie Freunde waren des edlen Weines. Am andern Morgen aber war ihnen ihr Wort heilig, und was sie abends ausgemacht im Keller, das führten sie oben im Gerichtssaal aus.“

„Schöne, alte Zeiten!“ rief Paulus; „daher kömmt es auch, daß noch heutzutage jeder vom Rat ein eigenes Trinkbüchlein, eine jährliche Weinrechnung hat. Den Herren, die alle Abende hier saßen und tranken, war es nicht genehm, allemal in die Tasche zu fahren und ihr Geldsäckelein herauszukriegen. Aufs Kerbholz ließen sie es schreiben und am Neujahr ward Abrechnung gehalten, und es gibt einige wackere Herren, die noch jetzt oft Gebrauch davon machen, aber es sind deren wenige.“

Ja, ja, Kinder“, sprach die alte Rose, „sonst war es anders, so vor fünfzig, hundert, zweihundert Jahren. Da brachten sie abends ihre Weiber und Mädchen mit in den Keller, und die schönen Bremer Kinder tranken Rheinwein oder von unserem Nachbar Moseler, und waren weit und breit berühmt durch ihre blühenden Wangen, durch ihre purpurroten Lippen, durch ihre herrlichen, blitzenden Augen; jetzt trinken sie allerlei miserables Zeug, als Thee und dergleichen, was weit von hier bei den Chinesen wachsen soll, und was zu meiner Zeit die Frauen tranken, wenn sie ein Hüstlein oder sonstige Beschwer hatten. Rheinwein, echten gerechten Rheinwein können sie gar nicht mehr vertragen; [35] denkt euch ums Himmelswillen, sie gießen spanischen Süßen darunter, daß er ihnen munde, sie sagen, er sei zu sauer.“

Die Apostel schlugen ein großes Gelächter auf, in das ich unwillkürlich einstimmen mußte, und Bacchus lachte so gräßlich, daß ihn der alte Balthasar halten mußte.

„Ja, die guten alten Zeiten!“ rief der dicke Bartholomäus; „sonst trank ein Bürger seine zwei Maß, und es war, als hätt’ er Wasser getrunken, so nüchtern blieb er, jetzt wirft sie ein Römer um. Sie sind aus der Übung gekommen.“

„Da trug sich vor vielen Jahren eine schöne Geschichte zu“, sagte Fräulein Rose und lächelte vor sich hin.

„Erzähle, erzähle, Jungfer Rose, die Geschichte!“ baten alle; sie aber trank bedeutend viel Wein, damit sie eine glatte Kehle bekam, und hub an:

„Anno 1600 und einige zwanzig, dreißig Jahre war ein großer Krieg in deutschen Landen von wegen des Glaubens; die einen wollten so und die andern anders, und statt daß sie bei einem Glase Wein die Sache vernünftig besprochen hätten, schlugen sie sich die Schädel ein. Albrecht von Wallenstein, des Kaisers Generalfeldmarschall, hauste schrecklich in protestantischen Landen. Des erbarmte sich der Schwedenkönig Gustav Adolf und kam mit vieler Mannschaft zu Roß und zu Fuß. Es wurden viele Bataillen geliefert, sie hetzten sich herum am Rhein und an der Donau, geschah aber weiter nicht viel, weder vor- noch rückwärts. Zu der Zeit war Bremen und die andern Hansestädte neutral und wollten es mit keiner Partei verderben. Dem Schweden lag aber daran, durch ihr Gebiet zu ziehen und sich freundlich mit ihnen einzulassen, darum wollte er einen Gesandten an sie schicken. Weil aber im Reich bekannt war, daß man in Bremen alles im Weinkeller verhandle, und die Ratsherren und Bürgermeister einen guten Schluck hätten, so fürchtete sich der Schwedenkönig, sie möchten seinem Gesandten gar sehr zusetzen mit Wein, daß er endlich betrunken würde und schlechte Bedingungen einginge für die Schweden.

Nun befand sich aber im schwedischen Lager ein Hauptmann vom gelben Regiment, der ganz erschrecklich trinken konnte. Zwei,

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 34–35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_019.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)