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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

und jener süße Duft, jenes feine Aroma ist ihr eigen und macht sie zu Eurer würdigen Base, wertgeschätzte Jungfer Rose.“

„Sie soll leben, soll leben!“ riefen die Apostel und stießen an, „Base Ximenes in Hispanien soll leben!“

Jungfer Rose mochte ihrem Galan nicht ganz trauen und stieß mit bittersüßer Miene an; doch schien sie nicht ferner mit ihm hadern zu wollen, sondern sprach weiter:

„Und auch ihr, meine lieben Vettern vom Rhein, seid ihr alle hier? Ja, da ist ja mein zarter, feiner Andreas, mein mutiger Judas, mein feuriger Petrus. Guten Abend, Johannes, wische dir den Schlaf fein aus den Äuglein, du siehst noch ganz trübselig aus. Bartholomäus, du bist unmäßig dick geworden und scheinst träge zu sein. Ha, mein munterer Paulus, und wie fröhlich Jakobus um sich schaut, noch immer der Alte. Aber wie, ihr seid ja zu Dreizehn am Tische, wer ist denn der dort in fremder Kleidung, wer hat ihn hieher gebracht?“

Gott, wie erschrak ich! Sie schauten alle verwundert auf mich und schienen mit meiner Anwesenheit nicht ganz zufrieden. Aber ich faßte mir ein Herz und sagte: „Mich gehorsamst der werten Gesellschaft zu empfehlen. Ich bin eigentlich nichts weiter als ein zum Doktor der Philosophie graduierter Mensch und halte mich gegenwärtig hiesigen Orts in dem Wirtshause zur Stadt Frankfurt auf.“

„Wie wagst du es aber, hieher zu kommen in dieser Stunde, graduiertes Menschenkind?“ sprach Petrus sehr ernst, indem er Blitze aus seinen Feueraugen auf mich sprühte. „Du hättest wohl denken können, daß du nicht in diese noble Societät gehörst.“

„Herr Apostel“, antwortete ich, und weiß noch heute nicht, woher ich den Mut bekam, wahrscheinlich aus dem Wein; „Herr Apostel, das du verbitte ich mir vors erste, bis wir weiter bekannt sind. Und was die noble Societät betrifft, in die ich gekommen sein soll, so kam sie zu mir, nicht ich zu ihr, denn ich sitze schon seit drei Stunden in diesem Gemach, Herr!“

„Was thut Ihr aber so spät noch im Ratskeller, Herr Doktor“, fragte Bacchus etwas sanfter als der Apostel, „um diese Zeit pflegt sonst das Erdenvolk zu schlafen.“

[33] „Euer Exzellenz“, erwiderte ich, „das hat seinen guten Grund. Ich bin ein portierter Freund des edlen Getränkes, das man hier unten verzapft, habe auch durch die Vergünstigung eines wohledlen Senats die Permission erhalten, denen Herren Aposteln und der Jungfrau Rose meinen Besuch abzustatten, was ich auch geziemendst gethan.“

„Also Ihr trinkt gerne Rheinwein?“ fuhr Bacchus fort; „nun das ist eine gute Eigenschaft und sehr zu loben in dieser Zeit, wo die Menschen so kalt geworden sind gegen diese goldene Quelle.“

„Ja, der Teufel hole sie all’!“ rief Judas, „keiner will mehr einige Maß Rheinwein trinken, außer hie und da solch ein fahrender Doktor oder vazierender Magister, und diese Hungerleider lassen sich ihn erst noch aufwichsen.“

„Muß ganz gehorsamst deprezieren, Herr von Judas“, unterbrach ich den schrecklichen Rotrock. „Nur einige kleine Versuche habe ich gethan mit dero Rebenblut von 1700 und etlichen Jahren, und den hat mir allerdings der wackere Bürgermeister einschenken lassen; was Sie aber hier sehen, ist etwas neuer und in barer Münze von mir bezahlt.“

„Doktor, ereifert Euch nicht“, sagte Frau Rose, „er meint’s nicht so böse, der Judas, und er ärgert sich nur und mit Recht, daß die Zeiten so lau geworden.“

„Ja!“ rief Andreas, der feine, schöne Andreas, „ich glaube, dieses Geschlecht fühlt, daß es keines edlen Trankes mehr wert ist, drum sollen sie hier ein Gesöff von allerlei Schnaps und Sirup brauen, heißen es Château Marget[1], Sillery, St.-Julien und sonst nach allerlei pompösen Namen, und kredenzen es bei ihren Gastmahlen, und wenn sie es saufen, bekommen sie rote Ringe um den Mund, dieweil der Wein gefärbt war, und Kopfweh den andern Tag, weil sie schnöden Schnaps getrunken.“

„Ha, was war das für ein anderes Leben“, führte Johannes die Rede fort, „als wir noch junge, blutjunge Gesellen waren, Anno neunzehn und sechsundzwanzig. Auch Anno fünfzig ging es noch hoch her in diesen schönen Hallen. Jeden Abend, es mochte


  1. Hauff meint wahrscheinlich Château Margaux.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 32–33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_018.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)