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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Von Eichenholz ist ihr Gewand
Von Birkenreifen ihre Band’,
Das Mieder, das sie zieret,
Mit Eisen ist geschnüret.

     Doch ach, man hat ihr Schlafklosett
Mit Riegeln wohl versehen,
Dort schlummert sie im Rosenbett,
Und ich muß draußen stehen;
Drum poch’ ich an die Kammerthür:
‚Steh’ auf mein Schatz und komm herfür,
Damit ich mit dir kose,
Mach’ auf, herzliebe Rose‘.

     So steig’ ich jede Mitternacht
Zu ihrer Kammer nieder;
Nur einmal hat sie aufgemacht,
Jetzt will sie nimmer wieder;
Und seit ich einmal sie geküßt
Mein Herz von Sehnsucht trunken ist,
Nur einmal, Rosamunde,
Küß’ mich, daß es gesunde.“

„Ihr seid ein Schäker, Herr Bacchus“, sagte Rosa, als er mit einem zärtlichen Triller geendet hatte. „Ihr wißt wohl, daß mich Bürgermeister und Rat unter gar strenger Klausur halten und nicht erlauben, daß ich mit jedwedem mich einlasse.“

„Aber mir könntest du doch zuweilen das Kämmerlein öffnen, lieb Röschen!“ flüsterte Bacchus; „mich gelüstet nach der süßen Speise deines Mundes.“

„Ihr seid ein Schelm“, rief sie lachend, „Ihr seid ein Türke und habt es mit vielen zugleich; meinet Ihr, ich wisse nicht, wie Ihr mit der leichtfertigen Französin scharmiert, mit dem Fräulein von Bordeaux, und mit dem Kreidengesicht, der Champagnerin; geht, geht, Ihr habt einen schlechten Charakter und verstehet Euch nicht auf treue deutsche Minne.“

„Ja, das sag’ ich auch!“ rief Judas und fuhr mit der langen knöchernen Hand nach der Hand der Jungfer Rose, „das sag’ ich auch; drum nehmet mich zu Eurem Galan, liebwerteste Jungfer, und lasset den kleinen, nackten Kerl seiner Französin nachziehen.“

[31] „Was?“ schrie der Hölzerne und trank im Zorn einige Maß Wein, „was? mit dem jungen Fant von 1726 willst du dich abgeben, Röschen? Pfui, schäme dich; was mein nacktes Kostüm betrifft, Herr Naseweis, so kann ich ebensogut wie Er eine Perücke aufsetzen, einen Rock umhängen und einen Degen an die Seite stecken; aber ich trage mich so, weil ich Feuer im Leibe habe und mich nicht friert im Keller. Und was Sie da sagt, Jungfer Rose, mit den Französinnen, so ist das gänzlich erlogen. Besucht habe ich sie zuweilen und mich an ihrem Geiste erlustiert, aber weiter gar nichts; dir bin ich treu, liebster Schatz, und dir gehört mein Herz.“

„Eine schöne Treue, Gott erbarm’s!“ erwiderte die Dame; „was hört man nur aus Spanien, wie Ihr es dort mit dem Frauenzimmer habt. Von der süßlichen Metze, der Xeres[1], will ich gar nichts sagen, das ist eine bekannte Geschichte, aber wie ist es denn mit der Jungfer Dentilla di Rota[2], und mit der von San Lúkar?[3] Und dann mit der Sennora Pietro Ximenes?[4]

„Alle Teufel, Ihr treibt die Eifersucht auch gar zu weit“, rief er ärgerlich, „man kann doch alte Verbindungen nicht ganz aufgeben. Und was die Sennora Pietro Ximenes betrifft, so seid Ihr sehr ungerecht, ich besuche sie ja nur aus Freundschaft für Euch, weil sie Eure Verwandte ist.“

„Was macht Ihr da für Fabeln? Unsere Verwandte?“ murmelten Rose und die Zwölfe untereinander, „wie das?“

„Wißt Ihr denn nicht“, fuhr er fort, „daß die Sennora eigentlich eine Rheinländerin ist? Der ehrsame Don Pietro Ximenes hat sie heimgeführt als blutjunges Rebstöcklein aus dem Rheingau nach seiner Heimat Spanien, und dort hat sie sich angesiedelt und seinen Familiennamen angenommen. Noch jetzt, obgleich sie den süßen, spanischen Charakter angenommen, noch jetzt hat sie große Ähnlichkeit mit Euch, wie die Grundzüge des Gesichtes sich in der Familie nicht ganz verlieren. Dieselbe Farbe


  1. Wein, so genannt nach der spanischen Stadt Xeres de la Frontera.
  2. Ein Rotwein von Granada.
  3. San Lúkar, kleine Stadt an der Mündung des Guadalquivir, berühmt wegen seiner Weinberge.
  4. Geschätzter Malagawein aus gewelkten Trauben
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 30–31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_017.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)