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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

schalkhaft ausnehmen. An der einen Seite hing ihr eine große lederne Tasche von Leder, an der andern ein Bündel gewaltiger Schlüssel – kurz, sie war eine so ehrbare Frau, als je eine Anno 1618 in Köln oder Mainz über die Straße ging.

Aber hinter der Frau Rose kamen noch sechs jubelnde Gesellen, die Dreispitzenhüte schwingend, die Perücken schief auf den Kopf gesetzt, mit weitschößigen Röcken und langen, reichgestickten Westen angethan.

Ehrbarlich und sittsam führte unter dem allgemeinen Jubel Bacchus seine Rose oben an die Tafel; sie verbeugte sich mit großem Anstand gegen die Gesellschaft und ließ sich nieder, an ihrer Seite nahm der hölzerne Bacchus Platz, und Balthasar, der Kellermeister, hatte ihm ein tüchtiges Polster untergeschoben, weil er sonst gar klein und niedrig dagesessen hätte. Auch die andern sechs Gesellen nahmen Platz, und ich merkte jetzt, daß es wohl die zwölf Apostel vom Rheine seien, die hier um die Tafel saßen, sonst aber im Apostelkeller in Bremen liegen.

„Da wären wir ja“, sagte Petrus, nachdem der Jubel etwas nachgelassen, „da wären wir ja, wir junges, munteres Volk von 1700, und alle wohlbehalten wie sonst. Nun auf gutes Wohlsein, Jungfer Rose, auch Sie hat gar nicht gealtert und ist noch so stattlich und hübsch wie vor fünfzig Jahren, gutes Wohlsein, Sie soll leben und Ihr Liebster, Herr Bacchus, daneben.“

„Soll leben, die alte Rose soll leben!“ riefen sie und stießen an und tranken; Herr Bacchus aber, der aus einem großen silbernen Humpen trank, schluckte zwei Maß rheinisch ohne viele Beschwerden hinunter, und er ward zusehends dicker davon und größer wie eine Schweinsblase, die man mit Luft füllt.

„Mich gehorsamst zu bedanken, wertgeschätzte Herrn Apostel und Vettern“, antwortete Frau Rosalia, indem sie sich freundlich verneigte; „seid Ihr noch immer solch ein loser Schäker, Herr Petrus? Ich weiß von keinem Schatz nicht, und Ihr müßt ein sittsam Mägdlein nicht so in Verlegenheit setzen.“ Sie schlug die Augen nieder, als sie dies sagte, und trank ein mächtiges Paßglas aus.

„Schatz“, erwiderte ihr Bacchus, indem er sie aus seinen Äuglein zärtlich anblickte und ihre Hand faßte, „Schatz, ziere dich doch [29] nicht so; du weißt ja wohl, daß dir mein Herz zugethan schon seit zweihundert Herbsten, und daß ich dich karessiere vor allen andern. Sag’ an, wann wollen wir endlich feiern das Beilager?“

„Ach, Ihr loser Schalk“, antwortete die alte Jungfrau und wandte sich errötend von ihm ab. „Man kann ja nicht neben Euch sitzen eine Viertelstunde, ohne daß Ihr anfanget mit Euren Karessen. Und ein ehrbares Mädchen muß sich ja schämen, wenn man Euch nur ansieht. Was laufet Ihr denn fast nackt im Keller? Hättet wohl ein Paar Beinkleider entlehnen können auf heute. Da Balthasar“, rief sie, indem sie ihre weiße Schürze abband, „lege dem Herrn diese Schürze um, es ist gar zu unanständig!“

„Wenn du mir einen Kuß gibst, Röschen“, rief Bacchus in verliebter Laune, „so laß ich mir den Fetzen um den Leib binden, obgleich es ein schlimmer Verstoß gegen mein Kostüm ist; aber was läßt man sich nicht gefallen schöner Frauen wegen?“

Balthasar hatte ihm die Schürze umgebunden, und er neigte sich zärtlich gegen die Rose. „Wenn nur das junge Volk hier nicht dabei wäre“, flüsterte sie beschämt, indem sie sich halb zu ihm neigte; – aber unter dem Jubeln und Jauchzen der Zwölfe hatte der Weingott sein Schürzenstipendium nebst Zinsen eingenommen. Dann leerte er seinen Humpen wieder und ward um zwei Fäuste breiter und größer und hub an mit einer rauhen Weinstimme zu singen:

     „Vor allen Schlössern dieser Zeit
Lob’ ich ein Schloß zu Bremen,
An seinen Hallen hoch und weit
Darf sich kein Kaiser schämen;
Gar seltsam ist es ausstaffiert,
Mit schmuckem Hausrat ausgeziert,
Doch hat daselbst vor allen
Eine Jungfrau mir gefallen.

     Ihr Auge blinkt wie klarer Wein,
Ihre Wangen sind nicht bleiche,
Wie prächtig ihre Kleider sein,
Von lauter schwerem Zeuche;

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 28–29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_016.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)