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mich Urfehde zu schwören auf sechs Wochen; mehr könnet ihr nicht von mir verlangen.“

„Wollt Ihr uns Gesetze vorschreiben? Ihr habt gut gelernt bei dem übermütigen Herzog; ich höre ihn aus Euch sprechen; doch keinen Schritt sollt Ihr zu Eurer Sippschaft thun, bis Ihr gesteht, wo der alte Fuchs, Euer Schwiegervater, sich aufhält, und welchen Weg der Herzog genommen hat.“

„Der Ritter von Lichtenstein wurde von Euren Reitern gefangen genommen, welchen Weg der Herzog nahm, weiß ich nicht, und kann es mit meinem Wort bekräftigen.“

„Ritterliche Haft?“ rief der Truchseß bitter lachend. „Da irrt Ihr Euch gewaltig; zeiget vorher, wo Ihr die goldenen Sporen verdient habt! Nein, solches Gelichter wird bei uns ins tiefste Verlies geworfen, und mit Euch will ich den Anfang machen.“

„Ich denke dies ist unnötig“, fiel ihm Frondsberg ins Wort; „ich weiß, daß Georg von Sturmfeder zum Ritter geschlagen wurde; überdies hat er einem bündischen Edlen das Leben gerettet, Ihr werdet Euch wohl an die Aussage des Dieterich von Kraft erinnern. Auf Verwenden dieses Ritters wurde er von einem schmählichen Tod befreit und sogar in Freiheit gesetzt. Er kann dieselbe Behandlung von uns verlangen.“

„Ich weiß, daß Ihr ihm immer das Wort geredet; daß er Euer Schoßkind war, aber diesmal hilft es ihm nicht, er muß nach Eßlingen in den Turm, und jetzt den Augenblick –“

„Ich leiste Bürgschaft für ihn“, rief Frondsberg, „und habe hier so gut mitzusprechen wie Ihr. Wir wollen abstimmen über den Gefangenen, man führe ihn einstweilen in mein Zelt.“

Einen Blick des Dankes warf Georg auf die ehrwürdigen Züge des Mannes, der ihn auch jetzt wieder aus der drohenden Gefahr rettete. Der Truchseß aber winkte mürrisch den Knechten, dem Befehl des Oberfeldhauptmanns zu folgen; und Georg folgte ihnen durch die Straßen des Lagers nach Frondsbergs Zelt.

Nicht lange nachher stand der Mann vor ihm, dem er so unendlich viel zu danken hatte. Er wollte ihm danken, er wußte nicht, wie er ihm seine Ehrfurcht bezeugen sollte; doch Frondsberg sah ihn lächelnd an und zog ihn in seine Arme. „Keinen [425] Dank, keine Entschuldigung!“ sprach er, „sah ich doch alles dies voraus, als ich in Ulm von dir Abschied nahm, doch du wolltest es nicht glauben, wolltest dich vergraben in die Burg deiner Väter. Ich kann dich nicht schelten; glaube mir, das Feldlager und die Stürme so vieler Kriege haben mein Herz nicht so verhärtet, daß ich vergessen könnte, wie mächtig die Liebe zieht!“

„Mein Freund, mein Vater!“ rief Georg, indem er freudig errötete.

„Ja, das bin ich; der Freund deines Vaters, dein Vater; drum war ich oft stolz auf dich, wenn du auch in den feindlichen Reihen standest; dein Name wurde, so jung du bist, mit Ehrfurcht genannt, denn Treue und Mut ehrt ein Mann auch an dem Feinde. Und glaube mir, es kam den meisten von uns erwünscht, daß der Herzog entkam; was konnten wir mit ihm beginnen; der Truchseß hätte vielleicht einen übereilten Streich gemacht, den wir alle zu büßen gehabt hätten.“

„Und was wird mein Schicksal sein?“ fragte Georg. „Werde ich lange in Haft gehalten werden? Wo ist der Ritter von Lichtenstein? O, mein Weib! darf sie mich nicht besuchen?“

Frondsberg lächelte geheimnisvoll. „Das wird schwer halten“, sagte er, „du wirst unter sicherer Bedeckung auf eine Feste geführt und einem Wächter übergeben werden, der dich streng bewachen und nicht so bald entlassen wird! Doch sei nicht ängstlich, der Ritter von Lichtenstein wird mit dir dorthin abgeführt werden, und ihr beide müsset auf ein Jahr Urfehde schwören.“

Frondsberg wurde hier durch drei Männer unterbrochen, die in das Zelt stürmten; es war der Feldhauptmann von Breitenstein und Dieterich von Kraft, die den Ritter von Lichtenstein in ihrer Mitte führten.

„Hab’ ich dich wieder, wackerer Junge“, rief Breitenstein, indem er Georgs Hand drückte. „Du machst mir schöne Streiche; dein alter Oheim hat dich mir auf die Seele gebunden, ich solle einen tüchtigen Kämpen aus dir ziehen, der dem Bunde Ehre mache, und nun laufst du zu dem Feind und haust und stichst auf uns und hättest gestern beinahe die Schlacht gewonnen durch dein tollkühnes Stückchen auf unsere Geschütze.“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 424–425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_235.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)