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ihn einen Blick in künftige, schönere Tage thun lasse? Drum seid getrosten Mutes, Herr! Eure Feste hat der Feind verbrannt, Ihr habt an einem Tage ein Herzogtum verloren, aber dennoch wird Euer Name nicht verlöschen und Euer Gedächtnis wird nicht verloren sein in Württemberg.“

„Ein König –“, sprach der Herzog sinnend, „ist es nicht vermessen, jetzt, wo ich hinaus muß ins Elend, jetzt an einen König meines Stammes zu denken? Kann nicht auch die Hölle solche Träume vorspiegeln, um uns nachher desto bitterer zu täuschen?“

„Was zweifelt Ihr an der Zukunft?“ sagte Schweinsberg lächelnd. „Hätte einer Eurer ritterlichen Ahnen, die auf Württemberg hausten, hätte einer wissen können, daß seine Enkel Herzoge sein, daß das weite, schöne Land ihren Namen Württemberg tragen werde? Nehmet Euren Traum als den Wink des Schicksals hin, daß Euer Name in ferner, ferner Zeit auf diesem Lande bleiben, daß die spätern Fürsten Württembergs die Züge Eures Stammes tragen werden.“

„Wohlan, so will ich hoffen“, erwiderte Ulerich von Württemberg, „will hoffen, daß uns das Land verbleibe, wie dunkel auch jetzt unsere Lose seien. Mögen unsere Enkel nie so harte Zeiten sehen wie wir; möge man auch von ihnen sagen, sie sind – furchtlos!

„Und treu!“ sprach der Bauer mit Nachdruck und stand auf. „Doch es ist Zeit, Herr Herzog, daß Ihr aufbrechet. Das Morgenrot ist nicht mehr fern, und über den Neckar wenigstens müssen wir kommen, so lange es noch dunkel ist.“

Sie standen auf und waffneten sich; die Pferde wurden herbeigeführt, sie saßen auf, und der Pfeifer ging voran, den Weg aus der Schlucht zu zeigen. Die Reise des Herzogs zum Land hinaus war mit großer Gefahr verbunden, denn der Bund suchte seiner mit aller Mühe habhaft zu werden. Um auf einen Weg zu gelangen, wo er sicher seinen Feinden entgehen könnte, war der Herzog genötigt, noch einmal über den Neckar zu gehen. Dieser Übergang war nicht ohne Gefahr; ein starker Gewitterregen hatte den Fluß angeschwellt, so daß es nicht möglich schien, ihn mit den Pferden zu durchschwimmen; die Brücken aber waren zum [415] größten Teil von dem Bunde besetzt worden; doch auch hier wußte Hans guten Rat, denn er hatte durch treue Leute ausgespäht, daß die Brücke von Köngen noch frei sei; man hatte sich wohl nicht die Mühe genommen, sie zu besetzen, weil sie Eßlingen und dem feindlichen Lager allzunahe war, als daß man hätte glauben können, der Herzog werde dort vorüberkommen. Dieser Weg schien wegen seiner großen Gefahr, die meiste Sicherheit zu gewähren; ihn wählte Ulerich, und so zogen sie stille und vorsichtig dem Neckar zu.

Als sie aus dem Wald ins Feld herauskamen, säumte schon das Morgenrot den Horizont. Sie ritten jetzt auf besserem Wege schärfer zu, und bald sahen sie den Neckar schimmern, und die hochgewölbte Brücke lag nicht ferne mehr von ihnen. In diesem Augenblick sah sich Georg um und gewahrte eine bedeutende Anzahl Reiter, die von der Seite her hinter ihnen zogen; er machte seine Begleiter darauf aufmerksam; sie sahen sich besorgt um und musterten den Zug, der wohl fünfundzwanzig Pferde betragen mochte. Es schien bündische Reiterei zu sein, denn des Herzogs Völker waren gesprengt und zogen nicht mehr in so geordneten Scharen wie diese.

Noch zogen jene ruhig ihren Weg und schienen die kleine Gesellschaft nicht zu bemerken, aber dennoch schien es ratsam, die Brücke zu gewinnen, wo sich drei Wege schieden, ehe man von ihnen angerufen und befragt würde. Der Pfeifer lief voran so schnell er konnte, der Herzog und die Ritter folgten ihm in gestrecktem Trab, und je weiter sie sich von den Bündischen entfernten, desto leichter wurde ihnen ums Herz, denn alle bangten nicht für ihr eigenes Leben, wohl aber für die Freiheit Ulerichs.

Sie hatten die Brücke erreicht, sie zogen hinauf, aber in demselben Augenblick, wo sie oben auf der Mitte der hohen Wölbung angekommen waren, sprangen zwölf Männer, mit Spießen, Schwertern und Büchsen bewaffnet, hinter der Brücke hervor und besetzten den Ausgang; der Herzog sah, daß er entdeckt war und winkte seinen Begleitern rückwärts; Lichtenstein und Schweinsberg, die letzten, wandten ihre Rosse, aber schon war es zu spät, denn die bündischen Reiter, die ihnen im Rücken nachgezogen

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 414–415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_230.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)