Seite:De Wilhelm Hauff Bd 1 226.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ist’s aus; hätte ich nicht Frau und Kind, ich möchte heute nacht noch sterben.“

„Wohl warst du immer sein getreuer Schatten“, sagte der junge Mann gerührt, „und oft habe ich deine Treue bewundert; höre Hans! wir sehen uns vielleicht lange nicht mehr. Jetzt haben wir Zeit zu schwatzen, erzähle mir, was dich so ausschließlich und enge an den Herzog knüpft; wenn es etwas ist, das du erzählen kannst.“

Er schwieg einige Augenblicke und schürte das Feuer zurecht; ein unruhiges Feuer blitzte in seinen Augen, und Georg war ungewiß, ob es die Flamme oder eine innere Bewegung sei, was seine ausdrucksvollen Züge mit wechselnder Röte übergoß. „Das hat seine eigene Bewandtnis“, sagte er endlich, „und ich spreche nicht gerne davon. Doch Ihr habt recht, Herr, auch mir ist es, als werden wir uns lange nicht mehr sehen, so will ich Euch denn erzählen. Habt Ihr nie von dem ‚Armen Konrad‘ gehört?“

„O ja“, erwiderte Georg, „das Gerücht davon kam noch weiter als bis zu uns nach Franken; war es nicht ein Aufstand der Bauern? Wollte man nicht sogar dem Herzog ans Leben?“

„Ihr habt ganz recht, der Arme Konrad war ein böses Ding. Es mögen nun sieben Jahre sein. Da gab es unter uns Bauern viele Männer, die mit der Herrschaft unzufrieden waren; es waren Fehljahre gewesen, den Reicheren ging das Geld aus, die Armen hatten schon lange keines mehr, und doch sollten wir zahlen ohne Ende, denn der Herzog brauchte gar viel Geld für seinen Hof, wo es alle Tage zuging wie im Paradies.“

„Gaben denn eure Landstände nach, wenn der Herr so viel Geld verlangte?“ fragte Georg.

„Sie wagten eben auch nicht immer ‚Nein‘ zu sagen, des Herzogs Beutel hatte aber gar ein großes Loch, das wir Bauern mit unserem Schweiß nicht zuleimen konnten. Da gab es nun viele, die ließen die Arbeit liegen, weil das Korn, das sie pflanzten, nicht zu ihrem Brot wuchs, und der Wein, den sie kelterten, nicht für sie in die Fässer floß. Diese, als sie dachten, daß man ihnen nichts mehr nehmen könne als das arme Leben, lebten lustig und in Freuden, nannten sich Grafen zu Nirgendsheim, sprachen [407] viel von ihren Schlössern auf dem Hungerberge und von ihren bedeutenden Besitzungen in der Fehlhalde und am Bettelrein; und diese Gesellschaft war der Arme Konrad.“

Der Pfeifer legte sinnend seine Stirne in die Hand und schwieg.

„Von dir wolltest du ja erzählen, Hans!“ sagte Georg, „von dir und dem Herzog.“

„Das hätte ich beinahe vergessen“, antwortete dieser. – „Nun“, fuhr er fort, „es kam endlich dahin, daß man Maß und Gewicht geringer machte, und dem Herzog gab, was damit gewonnen wurde. Da ward aus dem Scherz bitterer Ernst. Es mochte mancher nicht ertragen, daß rings umher volles Maß und Gewicht, und nur bei uns kein Recht sei. Im Remsthal trug der Arme Konrad das neue Gewicht hinaus und machte die Wasserprobe.“

„Was ist das“, fragte der junge Mann.

„Ha!“ lachte der Bauer, „das ist eine leichte Probe. Man trug den Pfundstein mit Trommeln und Pfeifen an die Rems und sagte: ‚Schwimmt’s oben, hat der Herzog recht; sinkt’s unter, hat der Bauer recht.‘

Der Stein sank unter, und jetzt zog der Arme Konrad Waffen an. Im Remsthal und im Neckarthal bis hinauf gegen Tübingen und hinüber an die Alb standen die Bauern auf und verlangten das alte Recht. Es wurde gelandtagt und gesprochen, aber es half doch nichts. Die Bauern gingen nicht auseinander.“

„Aber du, von dir sprichst du ja gar nicht?“

„Daß ich’s kurz sage, ich war einer der ärgsten“, antwortete Hans, „ich war kühn und trotzig, mochte nicht gerne arbeiten und wurde wegen Jagdfrevel unmenschlich abgestraft, da trat ich in den Armen Konrad, und bald war ich so arg als der Gaispeter und der Bregenzer.[1] Der Herzog aber, als er sah, daß der Aufruhr gefährlich werden könne, ritt selbst nach Schorndorf. Man hatte uns zur Huldigung zusammenberufen, wir erschienen zu vielen Hunderten – aber bewaffnet. Der Herzog sprach selbst zu


  1. Beide thaten sich 1514 als Führer im Armen Konrad hervor. In dem Hause des Messerschmieds Kaspar Bregenzer zu Schorndorf wurde sogar eine Kanzlei des Armen Konrad errichtet.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 406–407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_226.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)