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nicht in der Not verlassen! Wo glaubt Ihr, daß wir dem Feind begegnen? Wo werden wir uns stellen?“

„Zwischen Eßlingen und Kannstatt, bei Untertürkheim haben die Landsknechte einige Schanzen aufgeworfen und stehen dort zu dritthalbtausend Mann; wir werden uns noch in dieser Nacht an sie anschließen.“

Der Alte schwieg, und sie ritten wieder eine geraume Zeit stille nebeneinander hin. „Höre Georg!“ hub er nach einer Weile an, „ich habe schon oft dem Tod Aug’ in Auge gesehen und bin alt genug, mich nicht vor ihm zu fürchten; es kann jedem etwas Menschliches begegnen – tröste dann mein liebes Kind, Marie.“

„Vater!“ rief Georg und reichte ihm die Hand hinüber, „denket nicht solches! Ihr werdet noch lange und glücklich mit uns leben.“

„Vielleicht“, entgegnete der alte Mann mit fester Stimme, „vielleicht auch nicht. Es wäre thöricht von mir, dich aufzufordern, du sollst dich im Gefecht schonen. Du würdest es doch nicht thun. Doch bitte ich, denk’ an dein junges Weib und begib dich nicht blindlings und unüberlegt in Gefahr. Versprich mir dies.“

„Gut, hier habt Ihr meine Hand; was ich thun muß, werde ich nicht ablehnen; leichtsinnig will ich mich nicht aussetzen; aber auch Ihr, Vater, könntet dies geloben.“

„Schon gut, laß das jetzt; wenn ich etwa morgen totgeschossen werden sollte, so gilt mein letzter Wille, den ich beim Herzog niedergelegt habe; Lichtenstein geht auf dich über, du wirst damit belehnt werden. Mein Name stirbt hierzuland mit mir, möge der deinige desto länger tönen.“

Der junge Mann war von diesen Reden schmerzlich bewegt; er wollte antworten, als eine bekannte Stimme seinen Namen rief. Es war der Herzog, der nach ihm verlangte. Er drückte Mariens Vater die Hand und ritt dann schnell zu Ulerich von Württemberg.

„Guten Morgen, Sturmfeder!“ sprach dieser, indem seine Stirne sich etwas aufheiterte; „ich sag’ guten Morgen, denn die Hähne krähen dort unten in dem Dorf. Was macht dein Weib? Hat sie gejammert, als du wegrittst?“

[389] „Sie hat geweint“, antwortete Georg, „aber sie hat nicht mit einem Wort geklagt.“

„Das sieht ihr gleich; bei Sankt Hubertus, Wir haben selten eine mutigere Frau gesehen. Wenn nur die Nacht nicht so finster wäre, daß ich recht in deine Augen sehen könnte, ob du zum Kampf gestimmt bist und Lust hast, mit den Bündlern anzubinden?“

„Sprecht, wohin ich reiten soll; mitten drauf los soll es gehen im Galopp. Glauben Euer Durchlaucht, ich habe in meinem kurzen Ehestand so ganz vergessen, was ich von Euch erlernte, daß man in Glück und Unglück den Mut nicht sinken lassen dürfe?“

„Hast recht; impavidum ferient ruinae; Wir haben es auch gar nicht anders von unserem getreuen Bannerträger erwartet. Heute trägt meine Fahne ein anderer, denn dich habe ich zu etwas Wichtigerem bestimmt. Du nimmst diese hundertundsechzig Reiter, die hier zunächst ziehen, läßt dir von einem den Weg zeigen und reitest Trab gerade auf Untertürkheim zu. Es ist möglich, daß der Weg nicht ganz frei ist, daß vielleicht die von Eßlingen schon herabgezogen sind, uns den Paß zu versperren; was willst du thun, wenn es sich so verhält?“

„Nun, ich werfe mich in Gottes Namen mit meinen hundertundsechzig Pferden auf sie und hau’ mich durch, wenn es kein Heer ist. Sind sie zu stark, so decke ich den Weg, bis Ihr mit dem Zug heran seid.“

„Recht gut gesagt, gesprochen wie ein tapferer Degen, und haust du so gut auf sie wie auf mich bei Lichtenstein, so schlägst du dich durch sechshundert Bündler durch. Die Leute, die ich dir gebe, sind gut. Es sind die Fleischer, Sattler und Waffenschmiede von Stuttgart und den anderen Städten. Ich kenne sie aus manchem Kampf, sie sind wacker und hauen einen Schädel bis aufs Brustbein durch. Das Schwert in der Faust, reiten sie dir in die Hölle, wenn sie dir einmal zugethan sind, und wen sie einmal ans Hirn getroffen haben, der braucht keinen Arzt mehr auf dieser Welt. Das sind die echten Schwabenstreiche.“

„Und bei Untertürkheim soll ich mich aufstellen?“

„Dort triffst du auf einer Anhöhe die Landsknechte unter Georg von Hewen und Schweinsberg. Die Losung ist ‚Ulericus

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 388–389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_217.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)