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Blick, der auch den Kühnsten gefesselt hätte; aber man war versucht, jene erhabeneren Schönheiten nicht zurückzuwünschen; lag doch in diesem verschämten Bekenntnis, durch einen Blick des Geliebten überwunden zu sein, ein höherer Reiz, als wenn das stolze Auge frei um sich geblickt und dieser geschlossene Mund das Geständnis der Liebe laut und offen ausgesprochen hätte. So hatte die Natur Marien an diesem Tage einen neuen Zauber verliehen, der so mächtig wirkte, daß Georg einige Momente seine Braut verwunderungsvoll betrachtete und sein Herz sich stolzer hob, im Gefühle, dieses liebliche Kind sein nennen zu dürfen.

Jetzt kam auch der Herzog, der den Ritter von Lichtenstein an der Hand führte. Er musterte mit schnellen Blicken den reichen Kreis der Damen, und auch er schien sich zu gestehen, daß Marie die schönste sei. „Sturmfeder!“ sagte er, indem er den Glücklichen auf die Seite führte, „dies ist der Tag, der dich für vieles belohnt. Gedenkst du noch der Nacht, wo du mich in der Höhle besuchtest und nicht erkanntest? Damals brachte Hans der Pfeifer einen guten Trinkspruch aus: ‚Dem Fräulein von Lichtenstein! möge sie blühen für Euch.‘ – Jetzt ist sie dein, und was nicht minder schön ist, auch dein Trinkspruch ist erfüllt; wir sind wieder eingezogen in die Burg unserer Väter.“

„Mögen Euer Durchlaucht dieses Glück so lange genießen, als ich an Mariens Seite glücklich zu sein hoffe. Aber Eurer Huld und Gnade habe ich diesen schönen Tag zu verdanken, ohne Euch wäre vielleicht der Vater –“

„Ehre um Ehre, du hast uns treulich beigestanden, als wir unser Land wiedererobern wollten, drum gebührte es sich, daß auch wir dir beistanden, um sie zu besitzen. – Wir stellen heute deinen Vater vor, und als solchen wirst du uns schon erlauben, nach der Kirche deine schöne Frau auf die Stirne zu küssen.“

Georg gedachte jener Nacht, als der Herzog unter dem Thor von Lichtenstein sich auf diesen Tag vertröstete, unwillkürlich mußte er lächeln, wenn er der Würde und Hoheit gedachte, mit welcher die Geliebte den Mann der Höhle damals zurückgewiesen hatte. „Immerhin, Herr Herzog, auch auf den Mund; Ihr habt es längst verdient durch Eure großmütige Fürsprache; ich denke, [365] auch Marie wird sich nicht wieder sträuben, wie damals unter der Halle.“

„Wie?“ rief Ulerich errötend, „hat dir das Fräulein etwas gesagt?“

„Kein Wort, Herr! aber ich stand hinter der Thüre und sah zu, wie Ihr so herablassend gegen des Ritters Töchterlein waret.“

„Bei Sankt Hubertus“, entgegnete der Herzog lachend, „du bist ein eifersüchtiger Kauz. Das mußt du dir abgewöhnen, sonst hast du keine ruhige Stunde.“

„Freilich, wenn Euer Durchlaucht mir dies raten, so werde ich nie mehr eifersüchtig werden.“

Der Ton dieser Antwort, der einen leisen Spott zu verraten schien, erinnerte den Herzog, daß auch er einst diese Empfindung gehegt, daß sie ihn zu einer blutigen Rache angetrieben habe; er brach schnell ab, denn er liebte solche Erinnerungen nicht. „Laß es gut sein“, sagte er, „es ist Zeit, in die Kirche zu gehen. Wer sind deine Gesellen, die dich zum Altar geleiten?“

„Marx Stumpf und der Ulmer Ratsschreiber, ein Vetter von Lichtenstein.“

„Wie, das feine Männlein, den mein Kanzler köpfen lassen wollte? Da hast du links den zierlichsten und rechts den tapfersten Mann des Schwabenlandes. Glück zu, junger Herr, doch will ich dir raten, mehr rechts zu halten als links, dann kann es dir nie fehlen auf Erden, und wärst du so eifersüchtig als ein Türke. Sieh, sieh, da kommt ja der Rechte; sieh, wie seine breite, kurze Gestalt sich wunderlich ausnimmt unter den Frauenzimmern. Und wie er sich stattlich angethan hat! Den verschossenen grünen Mantel trug er schon Anno eilf auf unserer Hochzeit mit Frau Sabina Lobesan.“

„Kann mich nicht viel mit dem Anzug befassen“, erwiderte der tapfere Ritter von Schweinsberg, der die letzten Worte noch gehört hatte; „auch mit dem Tanzen will es nicht recht gehen, Ihr werdet mich entschuldigen; will aber heute abend im Ritterspiel der neue Eheherr eine Lanze mit mir brechen, so –“

„So willst du ihm aus lauter Zärtlichkeit und Höflichkeit ein paar Rippen einstoßen!“ lachte der Herzog; „das heiße ich einen

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 364–365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_205.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)