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von Sturmfeder ihn zu überzeugen, daß die Besatzung von Stuttgart so schwach sei, daß sie ihnen nicht die Spitze bieten könne, vergeblich stellte er ihm vor, daß die Bürger ihn zurücksehnen und willig ihre Thore öffnen werden; der Herzog schaute finster in die Nacht hinaus, preßte die Lippen zusammen und knirschte mit den Zähnen.

„Das verstehst du nicht“, murmelte er dem Jüngling zu; „du kennst die Menschen nicht; sie sind alle falsch; traue niemand als dir selbst. Sie drehen den Mantel nach jedem Wind! – Aber diesmal will ich sie fassen; meinst du, ich habe mein Land umsonst mit dem Rücken angesehen?“

Georg konnte diese Stimmung des Herzogs nicht begreifen. Im Unglück war er fest, sogar mild und sanft gewesen, hatte von manchem schönen Brauch gesprochen, den er einführen wolle, wenn er wieder ins Land komme, hatte selten Zorn über seine Feinde, beinahe nie Unmut über die Unterthanen gezeigt, die von ihm abgefallen waren; aber sei es, daß mit dem Anblick der vaterländischen Gegenden auch das Gefühl der Kränkung stärker als zuvor in ihm erwachte, sei es, daß es ihm unangenehm auffiel, daß der Adel und die Stände noch nichts hatten von sich hören lassen, er war, seit er die Grenzen Württembergs überschritten, nicht freudig, gehoben, erwartungsvoll, sondern ein stolzer Trotz blitzte aus seinen Augen, seine Stirne war finster, und eine gewisse Strenge und Härte im Urteil fiel seinen Umgebungen, besonders Georg von Sturmfeder auf, der sich in diese neue Seite von Ulerichs Charakter nicht gleich zu finden wußte.

Die Aufforderung an die Stadt mochte wohl schon seit einer halben Stunde ergangen sein; bald war die Frist abgelaufen, die er ihnen gegeben hatte, und noch immer war keine Antwort da; man hörte nur ein ängstliches Hin- und Herrennen in der Stadt, aus welchem man weder gute noch böse Zeichen deuten konnte.

Der Herzog ritt zu den Landsknechten vor, die erwartungsvoll auf ihren Hellebarden und Donnerbüchsen lehnten. Die drei Ritter, welche sie führten, standen am Graben und hielten durch ihre Anwesenheit die Knechte in Ruhe und Ordnung. Beim Schein des Mondes betrachtete Georg ängstlich Ulerichs Züge. Die Ader [329] auf seiner Stirne war aufgelaufen, eine tiefe Röte lag auf seinen Wangen, und seine Augen brannten in düsterer Glut.

„Hewen! laß Leitern anschleppen“, sagte er mit dumpfer Stimme. „Der Donner und das Wetter! es ist mein eigen Haus, vor dem ich stehe, und die Hunde wollen mich nicht einlassen. Ich laß noch einmal blasen, machen sie dann nicht sogleich auf, so schmeiß’ ich Feuer in die Stadt, daß ihre Käfigte zusammenbrennen.“

Bassa manelka, waz mich daz freut!“ sagte der lange Peter, der in der ersten Rotte neben dem Herzog stand, leise zu seinen Kameraden. „Jetzt werden Leitern beigeschleppt, wie die Katzen wir hinauf, mit den Hellebarden über die Mauer gestochen, daz die Kerl herunter müssen, mit den Büchsen drein gepfeffert, Canto cacramento!

„Dat will ik meenen!“ flüsterte der Magdeburger, „und dann hinunter in die Stadt, angezündet an den Ecken, geplündert, gebürstet! da will ik man och bei sin.“

„Um Gotteswillen, Herr Herzog“, rief Georg von Sturmfeder, welcher die Reden des Herzogs und die greuliche Freude der Landsknechte wohl vernommen hatte; „wartet nur noch ein kleines Viertelstündchen, es ist ja Eure eigene Residenzstadt. Sie beraten sich vielleicht noch.“

„Was haben sie sich lange zu beraten?“ entgegnete Ulerich unwillig; „ihr Herr ist hier außen vor dem Thor und fordert Einlaß. Ich habe schon zu lange Geduld gehabt. Georg! breite mein Panier aus im Mondschein, laß die Trompeter blasen, fordere die Stadt zum letztenmal auf! Und wenn ich dreißig zähle nach deinem letzten Wort, und sie haben noch nicht aufgemacht, beim heiligen Hubertus, so stürmen wir. Spute dich, Georg!“

„O Herr! bedenket eine Stadt, Eure beste Stadt! Wie lange habt Ihr in diesen Mauern gelebt, wollt Ihr Euch ein solches Brandmal aufrichten? Gebt noch Frist.“

„Ha!“ lachte der Herzog grimmig und schlug mit dem Stahlhandschuh auf den Brustharnisch, daß es weithin tönte durch die Nacht; „ich sehe, dich gelüstet nicht sehr, in Stuttgart einzuziehen und dein Weib zu verdienen. Aber bei meiner Ungnade, jetzt kein

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 328–329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_187.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)