Seite:De Wilhelm Hauff Bd 1 174.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Durch diese Maßregel aber hatte sich der Bund einen Feind erworben, den man gering schätzte, der aber viel zur Änderung der Dinge beitrug – es waren dies die Landsknechte. Diese Menschen, aus allen Enden und Orten des Reiches zusammengelaufen, boten gewöhnlich dem ihre Hülfe an, der sie am besten zahlte; für was und gegen wen sie kämpften, war ihnen gleichgültig. Um sie zu halten, mußte man ihnen vieles nachsehen, und Raub, Mord, Plünderung, Brandschatzen führten sie auf ihre eigene Faust aus, um sich zu entschädigen, wenn sie den Sold nicht richtig bekamen. Georg von Frondsberg war der erste gewesen, der sie durch sein Ansehen im Heere, durch tägliche Übungen und unerbittliche Strenge einigermaßen im Zaum hielt; er hatte sie in regelmäßige Rotten und Fähnlein eingeteilt, er hatte ihnen bestimmte Hauptleute gegeben, er hatte sie gelehrt, geordnet, um in Reihen und Gliedern zu fechten. Sie zeigten aber jetzt, daß sie aus einer guten Schule kommen; denn als sie vom Bunde entlassen waren, liefen sie nicht, wie früher, zerstreut durch das Land, um Dienste zu suchen, sondern rotteten sich zusammen, richteten zwölf Fähnlein auf, erwählten aus ihrer Mitte Hauptleute[Hauff 1], und selbst einen Obersten in der Person des langen Peters. Sie waren schwürig auf den Bund, nährten sich von Raub und Brandschatzen im Land und führten Krieg auf eigene Rechnung. Die Anarchie war in Württemberg so groß, daß ihnen niemand die Spitze bot. Der Bund hatte sich an Streitkräften entblößt und war zu sehr mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, als daß er das arme Land von dieser Bande befreit hätte; die Ritterschaft war uneinig, sie saßen auf den Schlössern und sahen ruhig diesem Treiben zu; die Besatzung der Städte war zu gering, um ihnen mit Kraft Einhalt zu thun, und Bürger und Bauern sahen sogar diesen Haufen gerne, wenn seine Forderungen nur nicht allzugroß waren, denn die Landsknechte schimpften weidlich auf den Bund, dem niemand hold war; ja, es ging sogar die Sage, diese Kriegsmänner seien nicht abgeneigt, dem Herzog wieder zu seinem Land zu verhelfen.

Es war ein schöner Morgen in der Mitte Augusts, als sich diese Leute in einem Wiesenthale gelagert hatten, das der Grenze [303] von Baden zunächst gelegen war. Die riesigen, schwarzen Tannen und Föhren, die das Thal auf drei Seiten einschlossen, gehörten noch dem Schwarzwald an, und das Flüßchen, das durch das Thal eilte, war die Würm. Halb überschattet vom Wald, halb in den Weidenbüschen des Thales versteckt, lag das kleine Heer in wunderlichen Gruppen und pflegte der Ruhe. In der Entfernung von zweihundert Schritten sah man Posten aufgestellt, deren blitzende Lanzen oder rotglühende Lunten schon von weitem Furcht einjagten. In der Mitte des Thales im Schatten einer Eiche saßen fünf Männer um einen ausgespannten Mantel, den sie als Tisch gebrauchten, um ein Spiel auf ihm zu spielen, das heute noch den Namen Landsknecht führt[1]. Diese Männer zeichneten sich vor ihren übrigen Genossen durch breite, rote Binden aus, die sie über die Schulter und Brust herabhängen hatten, sonst aber hatte ihre Bekleidung auch das zerrissene und morsche Aussehen wie das der übrigen Soldateska. Einige hatten Sturmhauben auf, andere große Filzhüte mit eisernen Bändern beschlagen, dazu Lederkoller, welche von Regen, Staub und Biwaks alle mögliche Schattierungen erhalten hatten.

Bei näherem Blick erkannte man übrigens noch zwei Dinge, durch welche sie sich von ihren Kameraden unterschieden. Sie führten nämlich keine Donnerbüchsen oder Spieße, wie sie die Landsknechte gewöhnlich trugen, sondern Raufdegen von ungemeiner Länge und Breite. Auch hatten sie, wie es damals die Edelleute und Anführer trugen, auf ihren Hüten und Sturmhauben bunte, wallende Federbüsche aus Hahnenschwänzen, um sich ein ritterliches Ansehen zu geben.

Die fünf Männer schienen große Geschicklichkeit im Spiel zu besitzen, vorzüglich aber einer, der sich mit dem Rücken an die Eiche lehnte. Es war dies ein langer, wohlbeleibter Mann. Er hatte einen Hut auf, dessen Rand sich wie ein bedeutender Mühlstein


  1. Das Kartenspiel „Landsknecht“ ist ein Glücksspiel, bei dem der Bankhalter zwei Karten auflegt und dann, die übrigen einzeln abziehend, je eine Karte links und je eine rechts auflegt. Wird von den beiden aufliegenden Karten zuerst die linke abgezogen, so gewinnt die Bank alle Einsätze der Spieler, im andern Falle muß sie diese an die Spieler auszahlen. – Bei Hauff scheint es mehr ein sogen. Kommersspiel zu sein.

Anmerkungen (Hauff)

  1. [433] Sattler erzählt dies folgendermaßen: Der Schwäbische Bund hatte einen großen Teil seiner Kriegsknechte abgedankt, diese wurden darüber schwürig, sie rottierten sich zusammen, richteten zwölf Fähnlein auf, erwählten ihre Hauptleute und machten unter sich nach damaligem Gebrauch eine Regimentsordnung; es ist sehr wahrscheinlich, daß der Herzog diese Leute an sich gezogen. Geschichte der Herzoge von Württemb. II, § 16. Landsknechte schreiben wir, nicht Lanzknechte, wie man in neuerer Zeit gethan, und berufen uns auf die „Historia der Herren von Frondsberg“ etc.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 302–303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_174.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)