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an ihrem Herrn. Da lachten sie wieder und tranken und sagten: ‚Wer will auftreten und uns Verräter nennen?‘ Da rief ich hinter meinem Faß hervor: ‚Ich, ihr Buben, ihr seid Verräter am Herzog und am Land!‘ Alle waren erschrocken, der Stadion ließ seinen Becher fallen, ich aber trat hervor, nahm meine Kappe ab und den falschen Bart, stellte mich hin und zog Euren Brief aus dem Wams. ‚Hier ist ein Brief von eurem Herzog‘, sagte ich; ‚er will, ihr sollet euch nicht übergeben, sondern zu ihm halten; er selbst will kommen und mit euch siegen oder in diesen Mauern sterben.‘“

„O Tübingen“, sagte der Herzog mit Seufzen, „wie thöricht war ich, daß ich dich verließ! Zwei Finger meiner Linken gebe ich um dich, was sage ich, zwei Finger, die Rechte ließ’ ich mir abhauen, könnte ich dich damit erkaufen, und mit der Linken wollte ich dem Bund den Weg zeigen! Und gaben sie nichts, gar nichts auf meine Worte?“

„Die Falschen sahen mich finster an und schienen nicht recht zu wissen, was sie thun sollten. Hewen aber vermahnte sie nochmals. Da sagte Ludwig von Stadion: Ich komme schon zu spät. Achtundzwanzig der Ritterschaft wollen sich der Fehde mit dem Bunde begeben und den Herzog solche allein ausmachen lassen. Komme er wieder mit Heeresmacht ins Land, so wollen sie getreulich zu ihm stehen, aber aufs Ungewisse wollen sie den Krieg nicht fortführen, denn ihre Burgen und Güter werden so lange beschädigt und gebrandschatzt, bis sie nicht mehr gegen den Bund dienen. Ich verlangte nun, sie sollen mich hinaufführen in den Rittersaal, ich wolle versuchen, ob nicht Männer da seien, das Schloß zu halten, ich zählte auf, wen ich noch für treu halte, die Nippenburg, die Gültlingen, die Ow, die beiden Berlichingen, die Westerstetten, die Eltershofen, Schilling, Reischach, Welwart, Kaltenthal, – der von Hewen aber schüttelte den Kopf und sagte, ich habe mich in manchem geirrt!“

„Und Stammheim, Thierberg, Westerstetten, meine Getreuen, hast du sie nicht gesehen?“

„O ja, sie saßen im Keller beim Stadion und tranken Euren Wein. Hinauf wollten sie mich aber nicht lassen. Selbst Hewen, [289] selbst Freiberg und Heideck, die mit ihm waren, rieten ab, sie sagten, die zwei Parteien seien ohnedies schon schwierig gegeneinander, der Stadion habe die Mehrzahl für sich und auch den größten Teil der Knechte. Wenn ich hinaufgehe, komme es im Schloßhof und im Rittersaal zum Kampfe, und es bleibe ihnen als den Geringeren nichts übrig als zu sterben. So gerne sie nun auch für Euch den letzten Blutstropfen aufwenden, so wollen sie doch lieber in der Feldschlacht gegen den Feind fallen, als von ihren Landsleuten und Waffenbrüdern totgeschlagen werden. Da blieb mir nichts übrig, als sie zu bitten, sie möchten sich des Prinzen Christoph und Eures zarten Töchterleins annehmen und ihnen das Schloß bei der Übergabe erhalten. Einige sagten zu, andere schwiegen und zuckten die Achsel, ich aber gab den Verrätern meinen Fluch als Christ und Ritter, sagte fünf von ihnen auf und lud sie zum Kampf auf Leben und Tod, wenn der Krieg zu Ende sei; dann wandte ich mich und ging auf demselben Wege aus der Burg, wie ich gekommen war.“

„Herr Gott im Himmel! hätte ich dies für möglich gehalten“, rief Lichtenstein. „Zweiundvierzig Ritter, zweihundert Knechte, eine feste Burg, und sie doch verraten! Unser guter Name ist beschimpft; noch in späten Zeiten wird man von unserem Adel sprechen, und wie sie ihr Fürstenhaus im Stich gelassen; das Sprüchwort ‚Treu und ehrlich wie ein Württemberger‘ ist zum Hohn geworden!“

„Wohl konnte man einst sagen, treu wie ein Württemberger“, sprach Herzog Ulerich, und eine Thräne fiel in seinen Bart. „Als mein Ahnherr Eberhard einst hinabritt gen Worms und mit den Kurfürsten, Grafen und Herren zu Tische saß, da sprachen und rühmten sie viel vom Vorzug ihrer Länder. Der eine rühmte seinen Wein, der andere sprach von seiner Frucht, der dritte gar von seinem Wild, der vierte grub Eisen in seinen Bergen. Da kam es auch an Eberhard im Bart. ‚Von euren Schätzen weiß ich nichts aufzuweisen‘, sagte er, ‚doch gehe ich abends durch den dunkelsten Wald, und komm’ ich nachts durch die Berge und bin müd’ und matt, so ist ein treuer Württemberger bald zur Hand, ich grüße ihn und leg’ mich in seinen Schoß und schlafe ruhig ein.‘

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 288–289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_167.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)