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schwören mußtet, erfuhr ich. Und wie freut es mich, daß Ihr nun gar unser Freund geworden seid!“

Die Wangen des jungen Mannes glühten, sein Auge strahlte vor Freude, brach ja doch dieser Augenblick alle Schranken, welche die Verhältnisse zwischen ihm und Marie gezogen hatten. Sein langer Wunsch, dessen Erfüllung oft so weit in die Ferne hinausgerückt schien, war in Erfüllung gegangen, er hatte unbewußt Mariens Vater für sich gewonnen. „Ja, ich habe ihnen abgesagt“, antwortete Georg, „weil ich ihr Wesen nicht mehr leiden mochte, ich bin Euer Freund geworden, doch wäre es möglich, ich hätte mich nicht so bald zu Eurer Sache bekannt; aber als ich unten in der Höhle neben jenem geächteten Mann saß, als ich bedachte, wie man mit den Edeln und selbst mit dem Herrn des Landes umgehe, wie seine gewaltigen Reden so mächtig an meiner Brust anklopften: da war es mir auf einmal hell und klar, hieher müsse ich stehen, hier müsse ich streiten. Und glaubt Ihr, es werde bald etwas zu thun geben? Denn ich bin nicht zu Euch herübergeritten, um die Hände in den Schoß zu legen!“

„Das konnte ich mir denken“, sagte der Ritter lächelnd; „vor vierzig Jahren hatte ich auch so rasches Blut, und es ließ mich nicht lange auf einem Fleck. Wie die Sachen stehen, wißt Ihr; man kann sagen, eher schlimm als gut. Sie haben das Unterland, sie haben den ganzen Strich von Urach herauf. Auf eines kommt alles an: hält Tübingen fest, so siegen wir.“

„Die Ehre von vierzig Rittern bürgt dafür“, rief Georg mit Unmut, „das Schloß ist stark, ich habe kein stärkeres gesehen, Besatzung ist hinlänglich da, und vierzig Männer von Adel werden sich so leicht nicht ergeben. Es kann nicht sein, es darf nicht sein. Haben sie nicht des Herzogs Kinder bei sich und den Schatz des Hauses? Sie müssen sich halten.“

„Wohl, wenn sie alle dächten wie Ihr. Es kommt gar viel auf Tübingen an. Wenn der Herzog Entsatz bringen kann, so hat er an Tübingen einen festen Punkt, von wo aus er sein Land wiedererobern kann; es sind große Kriegsvorräte dort, es ist ein großer Teil des Adels; solange sie zu seiner Partie halten, ist [251] Württemberg nur dem Boden nach gewonnen, dem Geiste nach ist es noch des Herzogs! Aber ich fürchte, ich fürchte!“

„Wie? Unmöglich können sich die Vierzig ergeben!“

„Ihr habt noch wenig erfahren in der Welt“, erwiderte der Alte, „Ihr wißt nicht, welche Lockungen und Schlingen manchen ehrlichen Mann straucheln machen können. Und es ist mancher in der Burg, dem der Herzog zu viel getraut hat. Er merkt auch wohl, daß es nicht ganz lauter und rein hergeht, denn er schickte den Ritter Marx Stumpf von Schweinsberg an sie mit einem beweglichen Schreiben[Hauff 1], das Schloß nicht zu übergeben, sondern ihm Gelegenheit zu machen, in dasselbe zu kommen, weil er dort zu sterben bereit sei, wenn es Gott über ihn verhänge.“

„Der arme Herr!“ rief Georg bewegt. „Aber ich kann nicht glauben, daß der Landesadel so schändlich freveln könne; sie werden ihn einlassen in die Burg, er wird ihren Mut aufs neue beseelen, er wird Ausfälle machen, er wird sie schlagen, die Belagerer, trotz Bayern und Frondsberg, wir werden uns an ihn anschließen, wir werden fechtend durch das Land ziehen und diese Bündler verjagen.“

„Marx Stumpf ist noch nicht zurück“, sagte der Ritter von Lichtenstein mit besorgter Miene; „auch haben sie seit gestern das Schießen eingestellt. Sonst hörte man jeden Stückschuß hier auf dem Lichtenstein, aber seit gestern ist es still wie im Grabe.“

„Vielleicht schweigt das Geschütz wegen des Festes; gebt acht, sie werden morgen oder am Ostermontag wieder donnern lassen, daß es durch Eure Felsen hallt.“

„Was da!“ entgegnete jener. „Wegen des Festes? Seinem Herzog treu zu dienen ist auch ein frommer Dienst; und es wäre den Heiligen im Himmel vielleicht lieber, sie hörten den Donner der Feldschlangen von Tübingens Wällen, als daß sie die Ritter müßig sehen. Müßiggang ist aller Laster Anfang! Aber wenn nur der Stumpf in das Schloß kommt, der wird sie aufrütteln aus ihrem Schlummer.“

„Der Herzog hat den Ritter von Schweinsberg nach Tübingen

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 250–251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_148.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)