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„Ich glaube, Euer scharfes Auge hat richtig bemerkt, und deswegen will ich nach Lichtenstein. Ich war von Anfang willens, als ich mich vom Bunde lossagte, nach Haus zu ziehen, aber die Alb ist schon halbwegs von Franken hieher, da dachte ich, ich könnte das Fräulein noch einmal zuvor sehen. Der Mann hier führte mich über die Alb; Ihr wisset, was meine Reise um acht Tage verzögerte; sobald der Morgen herauf ist, will ich oben im Schloß einsprechen, und ich hoffe, ich komme dem alten Herrn jetzt willkommner, da ich das neutrale Gebiet verlassen und zu seiner Farbe mich geschlagen habe.“

„Wohl werdet Ihr ihm willkommen sein, wenn Ihr als Freund des Herzogs kommt, denn er ist ihm treu und sehr ergeben. Doch könnte es sein, daß er Euch nicht traute, denn er soll ein wenig mißtrauisch und grämlich gegen fremde Menschen sein. Ihr wisset, wie ich mit ihm stehe, denn er ist der barmherzige Samariter, der mich, wenn ich nachts aus meiner Höhle steige, mit warmer Speise und mit noch wärmerem Trost für die Zukunft labt; ein paar Zeilen von mir mögen Euch bei ihm besser empfehlen als ein Freibrief des Kaisers, und zum Zeichen für ihn und manchen andern nehmet diesen Ring und traget ihn zum Andenken an diese Stunde, er wird Euch als einen Freund der gerechten Sache Württembergs verkünden.“ Er zog bei diesen Worten einen breiten Goldreif vom Finger. Ein roter Stein war in die Mitte gefaßt, und in den drei Hirschgeweihen mit dem Jagdhorn auf dem Wappenhelm, die darin eingegraben waren, erkannte der junge Mann das Zeichen Württembergs; um den Ring standen erhaben geprägte Buchstaben, deren Sinn er nicht verstand. Sie hießen:

U. H. Z. W. U. T. „Uhzwut? was bedeutet dieser Name?“ fragte er. „Ist es etwa ein Feldgeschrei für die Anhänger des Herzogs?“

„Nein, mein junger Freund“, antwortete der geächtete Ritter; „diesen Ring trug der Herzog lange an seiner Hand, und er war mir immer sehr wert, ich habe aber noch viele andere Andenken von ihm und konnte dieses an keinen Besseren abtreten. Die Zeichen heißen Ulrich, Herzog Zu Württemberg Und Teck!“

[237] „Er wird mir ewig teuer sein“, erwiderte Georg, „als ein Andenken an den unglücklichen Herrn, dessen Namen er trägt, und als schöne Erinnerung an Euch, Herr Ritter, und die Nacht in der Höhle.“

„Wenn Ihr an die Zugbrücke von Lichtenstein kommet“, fuhr der Ritter fort, „so gebet dem nächsten besten Knecht den Zettel, den ich Euch schreiben werde, und diesen Ring, solches dem Herrn des Schlosses zu bringen, und Ihr werdet gewiß empfangen werden, als wäret Ihr des Herzogs eigener Sohn. Doch für das Fräulein müßt Ihr Eure eigenen Zeichen haben, denn auf sie erstreckt sich mein Zauber nicht; etwa ein herzlicher Händedruck, die geheimnisvolle Sprache der Augen oder ein süßer Kuß auf ihren roten Mund; doch, um gehörig vor ihr zu erscheinen, habt Ihr Ruhe nötig, denn Eure Augen möchten nach einer durchwachten Nacht etwas trübe sein. Daher folget meinem Beispiel, strecket Euch auf die Rehfelle nieder und leget Euren Mantel als Kopfkissen unter. Und du würdiger major domus, oberster Kämmerer und Mundschenk, Hans, getreuer Gefährte im Unglück, reiche diesem Paladin noch einen Becher zum Schlaftrunk, daß ihm jene Felle zum weichen Pfühl, diese Felsengrotte zum Schlafklosett werde und ihn der Gott der Träume mit seinen lieblichsten Bildern besuche!“

Die Männer tranken und legten sich zur Ruhe, und Hans setzte sich wie ein treuer Hund an die Pforte der Felsenkammer. Bald kam Morpheus mit leisen Tritten zu dem Lager des Jünglings und streute seine Schlummerkörner über ihn, und er hörte nur noch halb im Traume, wie der geächtete Mann sein Nachtgebet sprach und mit frommer Zuversicht zu dem Lenker der Schicksale flehte über ihn und jenes unglückliche Land, in dessen tiefem Schoß er jetzt ruhte, seinen Schutz und seine Hülfe herabzusenden.




Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 236–237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_141.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)