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Georg dankte und trank; „Ich sollte die Ehre erwidern“, sagte er, „und doch weiß ich Euren Namen nicht, Herr Ritter. Doch ich bringe es Euch! Möget Ihr bald wieder siegreich in die Burg Eurer Väter einziehen, möge Euer Geschlecht auf ewige Zeiten grünen und blühen – es lebe!“ Georg hatte die letzten Worte mit starker Stimme gerufen und wollte eben den Becher ansetzen, als das Geräusch vieler Stimmen vom Eingang der Grotte her aus der Tiefe emporstieg, die vernehmlich „Es lebe! es lebe!“ riefen. Verwundert setzte er den Becher nieder; „Was ist das?“ sagte er; „sind wir nicht allein?“

„Es sind meine Vasallen, die Geister“, antwortete der Ritter lächelnd, „oder wenn Ihr so lieber wollt, das Echo, das Eurem freundlichen Rufe beistimmte. Ich habe oft“, setzte er ernster hinzu, „in den Zeiten des Glanzes das Wohl meines Hauses von hundert Stimmen ausrufen hören, doch hat es mich nie so erfreut und gerührt als hier, wo mein einziger Gast es ausbrachte und die Felsen dieser Unterwelt es beantworteten. – Fülle den Becher, Hans, und trinke auch du, und weißt du einen guten Spruch, so gib ihn preis.“

Der Pfeifer von Hardt füllte sich den Becher und blickte Georg mit freundlichen Blicken an: „Ich bring’ es Euch, Junker! und etwas recht Schönes dazu: ‚Das Fräulein von Lichtenstein!‘“

„Hallo, sa! sa! trinkt, Junker, trinkt“, rief der Geächtete und lachte, daß die Höhle dröhnte; „aus bis auf den Boden, aus! sie soll blühen und leben für Euch! das hast du gut gemacht, Hans! sieh nur, wie unserem Gast das Blut in die Wangen steigt, wie seine Augen blitzen, als küsse er schon ihren Mund. Dürft Euch nicht schämen! auch ich habe geliebt und gefreit und weiß, wie einem fröhlichen Herzen von vierundzwanzig Jahren zu Mut ist!“

„Armer Mann!“ sagte Georg; „Ihr habt geliebt und gefreit und mußtet vielleicht ein geliebtes Weib und gute Kinder zurücklassen!?“ Er fühlte sich, während er dies sprach, heftig am Mantel gezogen, er sah sich um, und der Spielmann winkte ihm schnell mit den Augen, als sei dies ein Punkt, worüber man mit dem Ritter nicht sprechen müsse. Und den Jüngling gereueten auch [231] seine Worte, denn die Züge des unglücklichen Mannes verfinsterten sich, und er warf einen wilden Blick auf Georg, indem er sagte: „Der Frost im September hat schon oft verderbt, was im Mai gar herrlich blühte, und man fragt nicht, wie es geschehen sei; meine Kinder habe ich in den Händen rauher, aber guter Ammen gelassen, sie werden sie, so Gott will, bewahren, bis der Vater wieder heimkommt.“ Er hatte dies mit bewegter, dumpfer Stimme gesprochen, doch als wolle er die trüben Gedanken aus dem Gedächtnis abwischen, fuhr er mit der Hand über die Stirne, und wirklich glätteten sich die Falten, die sich dort zusammengezogen hatten, augenblicklich, er blickte wieder heiterer um sich her und sprach:

„Der Hans hier kann mir bezeugen, daß ich schon oft gewünscht habe, Euch zu sehen, Herr von Sturmfeder; er hat mir von Eurer sonderbaren Verwundung erzählt, wo man Euch wahrscheinlich für einen der Vertriebenen gehalten und angefallen hat, indessen der Rechte Zeit gewann, zu entfliehen.“

„Das soll mir lieb sein!“ antwortete Georg. „Ich möchte fast glauben, man hat mich für den Herzog selbst gehalten, denn diesem paßten sie damals auf; und ich will gerne die tüchtige Schlappe bekommen haben, wenn er dadurch gerettet wurde.“

„Ei, das ist doch viel; wisset Ihr nicht, daß der Hieb, der nach Euch geführt wurde, ebensogut tödlich werden konnte?“

„Wer zu Feld zieht“, entgegnete Georg, „der muß seine Rechnung mit der Welt so ziemlich abgeschlossen haben. Es ist zwar schöner in einer Feldschlacht vor dem Feinde bleiben, wenn die Freunde jubeln und die Kameraden umherstehen, um einem den letzten Liebesdienst zu erweisen. – Aber doch wäre ich damals auch gestorben, wenn es hätte sein müssen, um die Streiche dieser Meuchelmörder von dem Herzog abzulenken.“

Der Geächtete sah den Jüngling mit Rührung an und drückte seine Hand. „Ihr scheint großen Anteil an dem Herzog zu nehmen“, sagte er, indem er seine durchdringenden Augen auf ihn heftete, „das hätte ich kaum gedacht, man sagte mir, Ihr seid Bündisch.“

„Ich weiß, Ihr seid ein Anhänger des Herzogs“, antwortete

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 230–231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_138.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)