Seite:De Wilhelm Hauff Bd 1 087.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Euch ein, Junker!“ rief er. „Eure Reden helfen Euch jetzt nichts, es handelt sich nicht darum, ob es sich mit Eurem kindischen Gewissen verträgt, was wir Euch auftragen; es handelt sich um Gehorsam, wir wollen es, und Ihr müßt!

„Und ich will nicht!“ entgegnete ihm Georg mit fester Stimme. Er fühlte, daß mit dem Zorn über Waldburgs beleidigenden Ton sein Mut von Minute zu Minute wachse, er wünschte sogar, der Truchseß möchte noch weiter in seinen Reden fortfahren, denn jetzt glaubte er sich jeder Entscheidung gewachsen.

„Ja freilich, freilich!“ lachte Waldburg in bitterm Grimm, „das Ding hat Gefahr, so allein in Feindesland herumzureiten. Ha! Ha! Da kommen die Junker von Habenichts und Binnichts und bieten mit großen Worten und erhabenen Gesichtern ihren Kopf und ihren tapfern Arm an, und wenn es drauf und dran kommt, wenn man etwas von ihnen haben will, so fehlt es am Herz. Doch Art läßt nicht von Art, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – und wo nichts ist, da hat der Kaiser das Recht verloren.“

„Wenn dies eine Beleidigung für meinen Vater sein soll“, antwortete Georg erbittert, „so sitzen hier Zeugen, die ihm bezeugen können, daß er in ihrem Gedächtnisse als ein Tapferer lebt. Ihr müßt viel gethan haben in der Welt, daß Ihr Euch herausnehmt, auf andre so tief herabzusehen!“

„Soll ein solcher Milchbart mir vorschreiben, was ich reden soll?“ unterbrach ihn Waldburg. „Was braucht es da das lange Schwatzen? Ich will wissen, Junkerlein, ob Ihr morgen Euer Pferd satteln und Euch nach unsern Befehlen richten wollt oder nicht!“

„Herr Truchseß“, antwortete Georg mit mehr Ruhe, als er sich selbst zugetraut hatte, „Ihr habt durch Eure scharfen Reden nichts gezeigt, als daß Ihr wenig wißt, wie man mit einem Edelmanne, der dem Bunde seine Dienste anbot, wie man mit dem Sohne eines tapfern Vaters sprechen müsse. Ihr habt aber als Oberster dieses Rats im Namen des Bundes zu mir gesprochen und mich so tief beleidigt, als ob ich Euer ärgster Feind wäre, darum kann ich nichts thun, als, wie Ihr selbst befehlt, mein Roß [129] satteln, aber gewiß nicht zu Eurem Dienst. Es ist mir nicht länger Ehre, diesen Fahnen zu folgen, nein, ich sage mich los und ledig von Euch für immer; gehabt Euch wohl!“

Der junge Mann hatte mit Nachdruck und Festigkeit gesprochen und wandte sich zu gehen.

„Georg“, rief Frondsberg, indem er aufsprang, „Sohn meines Freundes!“

„Nicht so rasch, Junker“, riefen die übrigen und warfen mißbilligende Blicke auf Waldburg; aber Georg war, ohne sich umzusehen, aus dem Gemach geschritten, die eiserne Klinke schlug klirrend ins Schloß, und die gewaltigen Flügel der eichenen Pforte lagerten sich zwischen ihn und den wohlmeinenden Nachruf der besser gesinnten Männer; sie schieden Georg von Sturmfeder auf ewig von dem Schwäbischen Bunde.





X.


 „O wenn die Nacht des Grames dich umschlinget,
 Mit schwerem Leid dein wundes Herz oft ringet,
 Wenn nur der Stern, der nach der Sonne stehet,
 Der Liebe Stern in dir nicht untergehet.“
 P. Conz.[1]


Georg fühlte sich leichter, als er auf seinem Zimmer über das Vorgefallene nachdachte. Jetzt war ja entschieden, was zu entscheiden er so lange gezögert hatte, entschieden auf eine Weise, wie er sie besser nicht hätte wünschen können. So hatte er jetzt einen guten Grund, das Heer sogleich zu verlassen, und der Oberste-Feldlieutenant mußte die Schuld sich selbst beimessen.

Wie schnell hatte sich doch alles in den vier Tagen gewendet; wie verschieden waren die Gesinnungen, mit denen er in diese Stadt einzog, von denen, die ihn aus ihren Mauern hinaustrieben! Damals, als der Donner der Geschütze, der feierliche Klang aller Glocken, die lockenden Töne der Trompeten ihn begrüßten,


  1. Karl Philipp Conz (1762–1827), Professor der klassischen Litteratur in Tübingen, als Dichter und Übersetzer bekannt. Obige Verse sind aus dem Gedichte „Morgenempfindung im November“. (Gedichte. Neue Sammlung, 1824.)
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 128–129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_087.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)