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nennst“, sagte Georg bitter lächelnd, „du wirst reichen Ersatz finden für den armen Georg, wenn er es der Mühe wert hält, mein Bild aus deinem Herzen zu verdrängen.“

„Wahrlich, dieser kleinlichen Eifersucht habe ich dich nicht fähig gehalten“, antwortete Marie, indem sie sich mit Thränen des Unmuts, im Gefühl gekränkter Würde abwandte. „Glaubst du denn, das Herz eines Mädchens könne nicht auch warm für die Sache ihres Vaterlandes schlagen?“

„Sei mir nicht böse“, bat Georg, der mit Reue und Beschämung einsah, wie ungerecht er sei, „gewiß, es war nur Scherz!“

„Und kannst du scherzen, wo es unser ganzes Lebensglück gilt?“ entgegnete Marie; „morgen will der Vater Ulm verlassen, weil der Krieg entschieden ist; wir sehen uns vielleicht lange, lange nicht mehr, und du magst scherzen? Ach, wenn du gesehen hättest, wie ich so manche Nacht mit heißen Thränen zu Gott flehte, er möge dein Herz hinüber auf unsere Seite lenken, er möge uns vor dem Unglück bewahren, auf ewig getrennt zu sein, gewiß, du könntest nicht so grausam scherzen!“

„Er hat es nicht zum Heil gelenkt“, antwortete Georg, düster vor sich hinblickend.

„Und sollte es nicht noch möglich sein“, sprach Marie, indem sie seine Hand faßte und mit dem Ausdruck bittender Zärtlichkeit, mit der gewinnenden Sanftmut eines Engels ihm ins Auge sah, „sollte es nicht noch möglich sein? Komm mit uns, Georg, wie gerne wird der Vater einen jungen Streiter seinem Herzog zuführen. Ein Schwert wiegt viel in solchen Zeiten, sagte er oft, er wird es dir hoch anschlagen, wenn du ihm folgst, an seiner Seite wirst du kämpfen, mein Herz wird dann nicht zerrissen, nicht geteilt sein zwischen jenseits und diesseits; mein Gebet, wenn es um Glück und Sieg fleht, wird nicht zitternd zwischen beiden Heeren irren!“

„Halt ein!“ rief der Jüngling und bedeckte seine Augen, denn der Sieg der Überzeugung strahlte aus ihren Blicken, die Gewalt der Wahrheit hatte sich auf ihren süßen Lippen gelagert. „Willst du mich bereden, ein Überläufer zu werden? Gestern zog ich mit dem Heere ein, heute wird der Krieg erklärt, und morgen soll ich [107] zu dem Herzog hinüberreiten? Kann dir meine Ehre so gleichgültig sein?“

„Die Ehre?“ fragte Marie, und Thränen entstürzten ihrem Auge; „sie ist dir also teurer als deine Liebe? wie anders klang es, als mir Georg ewige Treue schwur. Wohlan! sei glücklicher mit ihr als mit mir! Aber möge dir, wenn dich der Herzog von Bayern auf dem Schlachtfeld zum Ritter schlägt, weil du in unsern Fluren am schrecklichsten gewütet, wenn er dir ein Ehrenkettlein umhängt, weil du Württembergs Burgen am tapfersten gebrochen, möge dir der Gedanke deine Freude nicht trüben, daß du ein Herz brachst, das dich so treu, so zärtlich liebte!“

„Geliebte!“ antwortete Georg, dessen Brust widerstreitende Gefühle zerrissen, „dein Schmerz läßt dich nicht sehen, wie ungerecht du bist. Doch es sei! daß du siehest, daß ich den Ruhm, der mir so freundlich winkte, der Liebe zum Opfer zu bringen weiß, so höre mich: Hinüber zu euch darf ich nicht. Aber ablassen will ich von dem Bunde, möge kämpfen und siegen wer da will – mein Kampf und Sieg war ein Traum, er ist zu Ende!“

Marie sandte einen Blick des Dankes zum Himmel und belohnte die Worte des jungen Mannes mit süßem Lohne. „O glaube mir“, sagte sie, „ich fühle, wie viel dich dieses Opfer kosten muß. Aber siehe mir nicht so traurig an dein Schwert hinunter; wer frühe entsagt, der erntet schön, sagt mein Vater, es muß uns doch auch einmal die Sonne des Glückes scheinen. Jetzt kann ich getrost von dir scheiden; denn wie auch der Krieg sich enden mag, du kannst ja frei vor meinen Vater treten, und wie wird er sich freuen, wenn ich ihm sage, welch schweres Opfer du gebracht hast!“

Berthas helle Stimme, die der Freundin ein Zeichen gab, daß der Ratsschreiber nicht mehr zurückzuhalten sei, schreckte die Liebenden auf. Schnell trocknete Marie die Spuren ihrer Thränen und trat mit Georg aus der Laube.

„Vetter Kraft will aufbrechen“, sagte Bertha, „er fragt, ob der Junker ihn begleiten wolle?“

„Ich muß wohl, wenn ich den Weg nach Hause nicht verfehlen soll“, antwortete Georg; so teuer ihm die letzten Augenblicke vor einer langen Trennung von Marie gewesen wären, so kannte

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 106–107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_076.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)