Seite:De Wilhelm Hauff Bd 1 053.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

und dies Vertrauen auf sich selbst gibt bei weitem mutigere Zuversicht als die mächtigste Hülfe von außen.

So war die Stimmung Georgs von Sturmfeder, als er durch den Schönbuchwald seiner Heimat zuzog. Zwar brachte ihm dieser Weg dem Liebchen nicht näher, zwar konnte er nichts sein nennen als das Roß, das er eben ritt, und die Burg seiner Väter, von welcher der Volkswitz sang:

„Ein Haus auf drei Stützen,
Wer vorn hereinkommt,
Kann hinten nicht sitzen.“

Aber er wußte, daß dem festen Willen hundert Wege offen stehen, um zum Ziel zu gelangen, und der alte Spruch des Römers: „Fortes fortuna juvat“, hatte ihm noch nie gelogen.

Wirklich schienen auch seine Wünsche nach einer thätigen Laufbahn bald in Erfüllung zu gehen.

Der Herzog von Württemberg hatte Reutlingen, das ihn beleidigt hatte, aus einer Reichsstadt zur Landstadt gemacht, und es war kein Zweifel mehr an einem Krieg.

Der Erfolg schien aber dasmal sehr ungewiß. Der Schwäbische Bund, wenn er auch erfahrenere Feldherrn und geübtere Soldaten zählte, hatte doch in allen Kriegen durch Uneinigkeit sich selbst geschadet. Ulerich, auf seiner Seite, hatte vierzehntausend Schweizer, tapfere, kampfgeübte Männer, geworben, aus seinem eigenen Lande konnte er, wenn auch minder geübte, doch zahlreiche und tüchtige Truppen ziehen, und so stand die Wage im Februar 1519 noch ziemlich gleich.

Wo alles um ihn her Partei nahm, glaubte Georg nicht müßig bleiben zu dürfen. Ein Krieg war ihm erwünscht; es war eine Laufbahn, die ihn seinem Ziele, um Marie würdig freien zu können, bald nahebringen konnte.

Zwar zog ihn sein Herz weder zu der einen, noch zu der andern Partei. Vom Herzog sprach man im Lande schlecht, des Bundes Absichten schienen nicht die reinsten: Als aber, durch Geld und Klagen der Huttischen und durch die Aussicht auf reiche Beute bestochen, achtzehn Grafen und Herren, deren Besitzungen an sein Gütchen grenzten, auf einmal[Hauff 1] dem Herzog ihre Dienste aufsagten, [61] da schien es ihn zum Bunde zu ziehen. Den Ausschlag gab die Nachricht, daß der alte Lichtenstein mit seiner Tochter in Ulm sich befinde; auf jener Seite, wo Marie war, durfte er nicht fehlen, und so bot er dem Bunde seine Dienste an.

Die fränkische Ritterschaft, unter Anführung Ludwigs von Hutten[1], zog sich am Anfang des März gegen Augsburg hin, um sich dort mit Ludwig von Bayern und den übrigen Bundesgliedern zu vereinigen. Bald hatte sich das Heer gesammelt, und ihr Weg glich einem Triumphzug, je näher sie dem Gebiete ihres Feindes kamen.

Herzog Ulerich war bei Blaubeuren, der äußersten Stadt seines Landes gegen Ulm und Bayern hin, gelagert. In Ulm sollte jetzt noch einmal zuvor im großen Kriegsrat der Feldzug besprochen werden, und dann hoffte man in kurzer Zeit die Württemberger zur entscheidenden Schlacht zu nötigen. An friedliche Unterhandlungen wurde, da man so weit gegangen war, nicht mehr gedacht, Krieg war die Losung und Sieg der Gedanke des Heeres, als ein frischer Morgenwind ihnen die Grüße des schweren Geschützes von den Wällen der Stadt entgegentrug, als das Geläute aller Glocken zum Willkomm vom anderen Ufer der Donau herübertönte.

Wohl schlug auch Georgs Herz höher bei dem Gedanken an seine erste Waffenprobe; aber wer je in ähnlicher Lage sich befand, wird ihn nicht tadeln, daß auch friedlichere Gedanken in seiner Seele aufzogen und ihn Kampf und Sieg vergessen ließen. Als zuerst, noch in weiter Ferne, das kolossale Münster aus dem Nebel auftauchte, als nachher der verhüllende Dunstschleier herabfiel und die Stadt mit ihren dunkeln Backsteinmauern, mit ihren hohen Thortürmen sich vor seinen Blicken ausbreitete, da kamen alle Zweifel, die er früher tief in die Brust zurückgedrängt hatte, schwerer als je über ihn. „Schließen jene Mauern auch die Geliebte ein? Hat nicht ihr Vater, seinem Herzog treu, vielleicht in die feindlichen Scharen sich gestellt, und darf der, dessen ganze Hoffnung darauf beruht, den Vater zu gewinnen, darf er sich jenem


  1. Der Vater des ermordeten Hans von Hutten.

Anmerkungen (Hauff)

  1. [167] Siehe C. Pfaffs Geschichte I, 278.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 60–61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_053.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)