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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

gestillt, doch war das Landvolk hie und da noch schwierig, weil der Herzog sie nicht für sich zu gewinnen wußte, seine Amtleute auf ihre eigene Faust arg hausten und Steuern auf Steuern erhoben wurden. Den Schwäbischen Bund, eine mächtige Vereinigung von Fürsten, Grafen, Rittern und Freien Städten des Schwaben- und Frankenlandes, hatte er wiederholt beleidigt, hauptsächlich auch dadurch, daß er sich weigerte, ihm beizutreten. So sahen also alle seine Grenznachbarn mit feindlichen Blicken auf sein Thun, als wollten sie nur Gelegenheit abwarten, ihn fühlen zu lassen, welch mächtiges Bündnis er verweigert habe. Der Kaiser Maximilian, der damals noch regierte[1], war ihm auch nicht ganz hold, besonders seit er im Verdacht war, den Ritter Götz von Berlichingen unterstützt zu haben, um sich an dem Kurfürsten von Mainz[2] zu rächen.

Der Herzog von Bayern[3], ein mächtiger Nachbar, dazu sein Schwager, war ihm abgeneigt, weil Ulerich mit der Herzogin Sabina[4] nicht zum besten lebte. Zu allem diesem kam, um sein Verderben zu beschleunigen, die Ermordung eines fränkischen Ritters[5], der an seinem Hofe lebte. Glaubwürdige Chronisten sagen, das Verhältnis des Johann von Hutten zu Sabina sei nicht so gewesen, wie es der Herzog gerne sah; daher griff ihn der Herzog auf einer Jagd an, warf ihm seine Untreue vor, forderte ihn auf, sich seines Lebens zu erwehren und stach ihn nieder. Die Huttischen, hauptsächlich Ulerich von Hutten, erhoben ihre Stimmen wider ihn, und in ganz Deutschland erscholl ihr Klage- und Rachegeschrei.

[47] Auch die Herzogin, die durch stolzes, zänkisches Wesen Ulerich schon als Braut aufgebracht und ihm keine gute Ehe bereitet hatte, trat jetzt als Gegnerin auf, entfloh mit Hülfe Dieterichs von Spät[6], und sie und ihre Brüder traten als Kläger und bittere Feinde bei dem Kaiser auf[Hauff 1]. Es wurden Verträge geschlossen und nicht gehalten, es wurden Friedensvorschläge angeboten und wieder verworfen, die Not um den Herzog wuchs von Monat zu Monat, und dennoch beugte sich sein Sinn nicht, denn er meinte, recht gethan zu haben. Der Kaiser starb in dieser Zeit; er war ein Herr, der Ulerich trotz den vielen Klagen dennoch Milde bewiesen hatte; an ihm starb dem Herzog ein unparteiischer Richter, den er in diesen Bedrängnissen so gut hätte brauchen können, denn das Unglück kam jetzt schnell.

Man feierte das Leichenfest des Kaisers zu Stuttgart in der Burg, als dem Herzog Kunde kam, daß Reutlingen, eine Reichsstadt, die in seinem Gebiete lag, seinen Waldvogt auf Achalm erschlagen habe[7]. Diese Städtler hatten ihn schon oft empfindlich beleidigt, sie waren ihm verhaßt und sollten jetzt seine Rache fühlen. Schnell zum Zorn gereizt, wie er war, warf er sich aufs Pferd, ließ die Lärmtrommeln tönen durch das Land, belagerte die Stadt und nahm sie ein. Der Herzog ließ sich von ihnen huldigen, und die Reichsstadt war württembergisch[Hauff 2].

Aber jetzt erhob sich der Schwäbische Bund mit Macht, denn diese Stadt war ein Glied desselben gewesen. So schwer es auch sonst hielt, diese Fürsten, Grafen und Städte alle aufzubieten, so weilten sie doch hier nicht, sondern hielten zusammen, denn der Haß ist ein fester Kitt. Umsonst waren Ulerichs schriftliche Verteidigungen[Hauff 3]; das Bundesheer sammelte sich bei Ulm und bedrohte mit einem Einfall.

So war also in dem Jahr 1519 alles auf die Spitze gestellt. Konnte der Herzog das Feld behaupten, so behielt er Recht und


Gesellen der Brüderschaft herstammen, der zwischen seiner Lage und seinem Namen Konrad die Wechselbeziehung „den Armen koan-Roth“ (d. h. den Armen kein Rat), wie der Württemberger sagt, aufgestellt hatte; doch wird diese Ableitung bezweifelt. Herzog Ulrich hatte 1514 den Bauern Abstellung ihrer Beschwerden zugesichert, überfiel die Leichtgläubigen jedoch plötzlich und zerstreute die Schar mit seinem Kriegsvolke.

  1. Kaiser Maximilian starb am 12. Januar 1519.
  2. Kurfürst von Mainz war damals (1514–45) der Markgraf Albrecht von Brandenburg.
  3. Herzog von Bayern-München war Wilhelm IV. (1493–1550).
  4. Sabine war eine Schwestertochter Kaiser Maximilians und Tochter des Herzogs Albrecht von Bayern-München; sie war seit 1511 mit Ulrich vermählt.
  5. Vgl. darüber unsre Anmerkung am Schluß des Bandes.
  6. Dietrich Spät, württembergischer Erbtruchseß, war ein Verwandter von Hans Huttens Mutter und seit des letzteren Ermordung völlig mit dem Herzog entzweit.
  7. Am 19. Januar 1519 fand die Totenfeier statt; dabei erhielt Ulrich die Nachricht, daß am 18. zwei Papiermacher in Reutlingen seinen Burgvogt erstochen hätten.

Anmerkungen (Hauff)

  1. [165] Christ. Tubingii Chron. Blabur ad annum 1516: Maximilianus Caesar ex suggestione Ducis Bavariae et sororis uxoris Udalrici aliorumque non multum Udalrico deinceps favere cepit.
  2. [165] Das Nähere über diese Einnahme ist in der trefflichen Geschichte Württembergs von C. Pfaff I, 291, und Sattler, Geschichte der Herzoge von Württemberg II, 5. Hauptsächlich aber bei Pedius Thethinger in comment. de reb. Wurtemb. sub Ulrico Lib. I. in fine und ap. Schardii script. rerum germ. Tom. II, pag. 885 zu lesen.
  3. [165] Der Herzog hatte mit Landgraf Philipp von Hessen ein Bündnis errichtet auf 200 Reiter und 600 zu Fuß, ebenso mit Markgraf Ernst von Baden, aber sie entschuldigen sich beide, daß sie selbst mit einem Einfall bedroht seien.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 46–47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_046.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)