Seite:De Wilhelm Hauff Bd 1 037.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

5
Doch gibt das zweite Paar dir Hoffnung wieder,

Sein Feueratem weht von Land zu Land,
Sprengt deines Kerkers festgetürmte Wand,
Wirft deine Häscher, deine Fesseln nieder.
Scheint Zwei mit Eins sich nimmer zu vertragen,

10
So ist das Ganze doch ein hohes Wort,

Woran man nur den Widerspruch getadelt;
Doch hat sein Widerspruch manch großen Geist geadelt;
Fürwahr! es starb des Letzten letzter Hort,
Wär’ es gestorben jüngst in unsern Tagen.


Zur Feier des 18. Junius.

Seid mir gegrüßt im grünen Lindenhain,
Seid mir gegrüßt, ihr, meine deutschen Brüder;
Auf! sammelt euch in festlich frohen Reihn,
Stimmt fröhlich an des Sieges Jubellieder,

5
Daß heut’ der stolze Adler niedersank,

Daß sich mein Volk einlöste mit dem Schwerte
Sein Heldentum, der Freiheit Ruhm, die deutsche Erde,
Trag’s zu den Wolken, donnernder Gesang!

     Trübt auch die Wolke unsers Festes Glanz,

10
Sind auch zerschlagen schon des Siegs Altäre,

Die jüngst noch, in dem jungen Siegerkranz,
Der Deutsche weihte seines Volkes Ehre:
Mög’ Arglist auch und Trug mit finstrem Bann
Dem Siegervolke noch die Zunge binden!

15
Begeisterung, des Jünglings Dank soll’s laut verkünden:

„Wer dort gekämpft, fiel nicht für einen Wahn!“

     Denn auferstehen soll ein neu Geschlecht,
Wir fühlen Kraft in uns, uns dran zu wagen,
Zu kämpfen für die Wahrheit und das Recht,

20
Um deutsch zu sein, wie in der Vorzeit Tagen!

Ein hoher Sinn stieg auf aus blut’gem Streit,
Es kehrt der biedre Geist der Väter wieder,
Und stolzer stehn, in deutscher Kraft und frei, o Brüder!
Wir auf den Trümmern der vergangnen Zeit.

25
     [29] Drum tretet mutig in die Kämpferbahn,

Noch gilt es ja, das Ziel uns zu erringen!
Fürs liebe Vaterland hinan! hinan!
Doch nur von innen kann das Werk gelingen,
Und nicht durch Völkerzwist, durch Waffenruhm,

30
Nein, unser Weg geht durch Minervas Hallen;

Laßt uns vereint zum Ideal, zum Höchsten wallen,
Erschaffen uns ein echtes Bürgertum!

     Ja! so ersteht ein freies Vaterland,
O Bruderbund, dies hast du dir erkoren!

35
Hebt in die Lüfte auf die treue Hand,

Dem Vaterlande sei es fest geschworen!
O schöne Saat! der junge Stamm erblüht,
Und schützend ragt er auf, wie Deutschlands Eichen,
Blüh’, schöner Stamm, die Sonne kommt, die Schatten weichen,

40
Und fern dahin die dunkle Wolke zieht.


Das Burschentum.

Wenn die Becher fröhlich kreisen,
Wenn in vollen Sangesweisen
Tönt so manches Helden Ruhm,
Ja, da muß man dich auch singen,

5
Muß auch dir die Becher schwingen,

Dir, du altes Burschentum!

     Fragt ihr, wo die Freiheit wohne?
Auf Europas weiter Zone
Habt ihr nimmer sie gesehn;

10
Nur bei alter treuer Sitte,

In der Burschen froher Mitte
Mag ihr Tempel noch bestehn.

     Froh und frei, wie’s unsre Alten
Einst zu ihrer Zeit gehalten,

15
Leben wir, solang’ es gilt;
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 28–29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_037.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)