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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

hat mir diesen Stern der Liebe erhalten, der über meinem Leben wie eine Sonne leuchtet? Ich fühle es, ich wurzelte vorher nicht auf dieser Erde, die Liebe zu diesem liebenswürdigen Wesen hat mich gelehrt, über mich selbst zu denken, hat mir die Kraft gegeben, mir eine Bahn zu brechen, eine Kraft, die mir bis heute unerklärlich ist. In welch anderem Lande Europas, wenn es nicht Lappland ist, stehen dem jungen Mann so viele Hindernisse entgegen, öffentlich aufzutreten, als in diesem lieben Schwaben? Hergebrachte Vorurteile und Erziehung machen uns furchtsam und schüchtern. Unsere Sprache, unsere Gewohnheiten, die Sitten unserer Männer und Frauen sind Schranken, die unüberwindlich scheinen. Ich darf sagen, ich habe sie wie ein Spielzeug zertrümmert, und mit dem ersten Schritt, den ich gethan, habe ich mir einen nicht unwürdigen Platz und eine Stimme erworben, die gültig ist, soweit man unsere Sprache spricht. Und, damit ich nicht wie ein Drache, aus Druckpapier gefertigt, einige Ruten hoch der Sonne zufahre, um ebenso schnell zu sinken, hat mir das Glück die Möglichkeit beschert, einen eigenen Herd zu bauen und das Flügelroß im häuslichen Stall einzustellen. Und wenn ich dies alles so bedenke, wodurch habe ich so Schönes verdient? Woher die Kraft des Willens, etwas im großen durchzusetzen, bei der sonstigen Schwäche meiner Natur? Woher dieses Glück, das mich zu Hause wie aus entfernten Ländern jede Woche, jeden Tag besucht? – Es könnte noch einen Raum geben, der nicht ausgefüllt wäre; das Sprüchwort sagt: ‚Geteilte Freud’ ist doppelt Freude‘. Es könnten mir Freunde mangeln, die mit mir fühlen, mit mir sich freuen, ich könnte mit meinem lieben Weibe allein, verlassen stehen; und auch hier, wie gütig hat es ein wundervolles Schicksal mit mir gemeint. Wie manche Freundschaften bläst der Wind des Zufalls zusammen, um – um sie ebenso schnell zu verwehen, und mir mußte es glücken, Freunde zu gewinnen, deren Liebe meine Asche überdauern wird! Du weißt, mein Moritz, welche Stelle Du unter diesen einnimmst, und Dir darf ich es ja nicht beschreiben, welche hohe Freude mich erfüllte, als dieser schöne Bund mir ein Vermächtnis seiner Liebe in meinen Hausstand übergab! Siehe, diese guten Leute, die mir es im Namen aller gaben, sind so gut, aber sie sind so nüchtern, als daß man bei ihnen weinen könnte, und weinen hätte ich mögen vor Freude, voll Wonne der Erinnerung und der Gegenwart … Nein, er hatte einen unseligen Glauben jener alte König von Samos! Nicht von mir werfen will ich die schönsten meiner Güter, um den Neid der Götter zu versöhnen, sondern an mich ziehen immer enger, um meines Glückes bewußter und würdiger zu sein! Darum bitte ich den Himmel, er möge [17] mir die teuersten Güter, mein Weib und Eure Freundschaft, erhalten. Und diese Bitte richte ich vor allen an Dich selbst. Erhalte mir Deine brüderliche Liebe, schreibe oft an mich, gedenke meiner auch öfter. Nimm meine Hand darauf, daß dieses neue Verhältnis meine Anhänglichkeit an Dich nur bestärken kann; schlag ein und liebe Deinen treuen Freund Wilhelm Hauff.“

Auch während der letzten Monate seines Lebens war Hauff unermüdlich thätig, ja er mußte es jetzt in fast noch höherem Grade sein, da er nun ausschließlich von der Schriftstellerei für sich und sein Weib den Lebensunterhalt zu erwerben strebte. Einen Teil seiner Zeit erfüllte jetzt die Redaktion des „Morgenblattes“, für das er selbst mehrere Gedichte, doch wohl mehr als sogenannte Lückenbüßer lieferte. Außerdem war er gleichzeitig noch für mehrere andere Zeitschriften beschäftigt, wie wir schon oben aus dem Briefe an F. A. Brockhaus gesehen haben, und wie noch mehrere von ihm verfaßte Kritiken zeigen, die sich unter anderm im Jahrgang 1827 der „Blätter für litterarische Unterhaltung“ finden. Zu den letzten seiner vollendeten Arbeiten gehören einige Skizzen, der „Märchenalmanach für 1828“, die Novellen: „Die Sängerin“, „Jud Süß“, „Die letzten Ritter von Marienburg“ und „Das Bild des Kaisers“ sowie eine Beschreibung der Titelkupfer zum „Taschenbuch für Damen auf 1828“.

Im Sommer 1827 unternahm er noch eine Reise nach Tirol, um hier an Ort und Stelle sich Daten zu beschaffen für eine geplante größere Novelle im Stile des „Lichtenstein“, deren Inhalt die Tiroler Ereignisse im Jahre 1809 bilden sollten. Das Werk kam nicht mehr zur Ausführung, nur wenige Skizzen dazu hat er hinterlassen. Bald nach seiner Rückkehr aber hatte er noch die Freude, einen von ihm längst hochverehrten Mann kennen zu lernen und zu seinem Freunde zu machen. Wilhelm Müller (1794–1827), der Dessauer Liederdichter, der Verfasser der „Griechenlieder“, suchte ihn in Stuttgart auf und schloß innige Freundschaft mit ihm. Freilich sollte dieser Freude auch bald die herbe Trauer folgen; bereits wenige Wochen später, am 30. September, starb Wilhelm Müller, dessen Tod Hauff aufs tiefste berührte. Ende Oktober fühlte er sich selbst unpäßlich und mußte das Bett hüten, das er nicht mehr verlassen sollte. Ein heftiges Nervenfieber ergriff ihn und erregte seine Sinne. Bei der Kunde von dem am 20. Oktober erfolgten Siege der englisch-französisch-russischen Flotte über die ägyptisch-türkische bei Navarin wurde seine Phantasie so lebhaft von der Freude erregt, daß er, wie Schwab berichtet, zugleich des dahingeschiedenen Freundes gedenkend, mehrmals rief: „Laßt mich, ich muß hin,

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 16–17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_015.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)