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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Geständnis nicht gemacht zu haben, davon zeugen seine eigenen, gewiß der Wirklichkeit nachgedichteten Worte:

„O dürft’ ich fragen, was aus ihrem Auge
Oft so entzückend mir entgegenstrahlt,
Was, wenn ich schnell mich ihrer Seite nahe,
Die Wangen ihr mit hoher Röte malt! – – etc.“

Von nun an war auch in Tübingen Luise der Mittelpunkt, der all seine Gedanken, sein Träumen und Sehnen auf sich zog; die schöne Umgebung der freundlichen Musenstadt wirkte zwar nach wie vor auf sein Gemüt, doch aber so, daß er das Eine, was sein Herz jetzt so ganz erfüllte, nur um so mehr vermißte.

„Am Neckarstrand ruht’ ich so gerne
Wär’ nicht Luise in der Ferne.“ – – –

„Du Thal, am Strome auf und nieder,
Du wärst so hold, du wärst so mild,
Dir weiht’ ich meine frohsten Lieder –
Du wärst so schön im Abendscheine,
Schlüg’ sie ihr Aug’ hier in das meine.“

Doch wie gesagt, jene Verse, so treu sie uns auch des Dichters Herz widerspiegeln, haben doch an und für sich nicht den Wert wie so manche leichter empfundene, aber vollendeter gestaltete unserer großen Liederdichter. Im Versemachen lag einmal nicht Hauffs Talent, dafür aber hat er uns später in seinem „Lichtenstein“ und in seinen „Novellen“ ein um so schöneres, wenn auch zuweilen schwärmerisch vom Geiste der Romantik umwobenes Bild seiner Liebesempfindungen gegeben, das in noch vollendeterem Glanze vor uns strahlt in einigen wenigen Worten, die uns aus dem einen Jahre seiner glücklichen Ehe aufbewahrt sind. Doch davon später.

Nach seiner Verlobung dachte Hauff zunächst daran, schnell seine Studien zu vollenden und, so jung er auch noch war, sich in einer gemütlichen Pfarre ein stilles, aber glückliches Heim zu gründen. Es wurden also auch bereits Unterhandlungen darüber mit dem Patron des Nördlinger Kirchensprengels eingeleitet. Während der Universitätsjahre hatten aber nun auch die Angehörigen eine andere Meinung von den früher so gering geschätzten Anlagen des Jünglings bekommen, vor allem war sein Auffassungs- und sein Gestaltungstalent sowie seine Rednergabe immer mehr hervorgetreten und bekannt geworden. Dies veranlaßte besonders den Konsistorialrat Klaiber, seinen jungen Verwandten vor einer Vernachlässigung seiner etwaigen Aussichten und vor einer allzu übereilten Heirat zu warnen. Er lenkte sein Streben [9] auf die Vorbereitungen zur Erlangung einer Professur und schlug ihm deshalb vor, als angemessenstes Mittel dazu vorläufig eine Hauslehrerstelle anzunehmen, die er ihm im Hause des Kriegsratspräsidenten von Hügel in Stuttgart zu vermitteln versprach.

Sicher wurde diese Wendung seines schon so schön ausgesonnenen Planes für Hauff ein ernster Kampf zwischen Kopf und Herz. Auch er war sich ja inzwischen gewiß seines Talentes bewußt geworden, er sah ein, daß es ihm bei einigermaßen thätiger Ausnutzung seiner Anlagen nicht an einem glücklichen und ruhmreichen Erfolge mangeln werde, wenn ihn vielleicht auch nicht gerade die Berufung auf einen Lehrstuhl besonders anzog; er wußte, daß nicht der Beruf des Seelsorgers seinen Geist befriedigen werde, und doch hing andererseits wieder an der Erreichung dieses Zieles die Befriedigung seines Herzensbedürfnisses. Doch er besteht den Kampf, er weist den jugendlichen Drang fürs erste zurück und erhält auch von der Braut die Einwilligung, die Hochzeit noch hinauszuschieben.

Inzwischen sind nun auch die Unterhandlungen wegen der Hauslehrerstelle beendet, und er tritt, am 27. Oktober 1824 mit dem Titel Doctor philosophiae von der Universität entlassen, seine neue Würde im Hügelschen Hause in Stuttgart an. Der General, ein früherer Adjutant Napoleons, von liebenswürdigem Charakter, sowie die Frau Baronin nehmen sich seiner liebevoll an und machen es ihm leicht, sich in dem vornehmen Hause heimisch zu fühlen. Seine Zöglinge beanspruchen nicht allzuviel Zeit, und so beginnt er denn bald mit schriftstellerischen Versuchen, insonderheit mit der Aufzeichnung, Ordnung und Verbindung jener Skizzen, die er bereits in Tübingen begonnen, und aus denen sich dann die „Memoiren des Satan“ zusammensetzten. Gleichzeitig aber beschäftigt er sich auch mit den Vorbereitungen zu der noch vor ihm liegenden höheren Prüfung, zu denen auch die mit Beifall aufgenommenen Predigten gehören, die er dann und wann aushilfsweise in der Schloßkirche hält. Im Frühjahr 1825 fand die Prüfung statt und wurde glücklich bestanden. In einem Briefe[1] aus jener Zeit schildert er, wie er an dem entscheidenden Morgen mit Fieber und Halsweh erwacht und ihm deshalb für den verhängnisvollen Weg bei dem draußen herrschenden schändlichen Tau-, Regen- und Schneewetter vom Minister dessen Wagen zur Benutzung überlassen wird. „Da hättest Du nun die Gesichter sehen sollen“, fährt er humorvoll fort, „die aus dem Consistorio herausschauten. Ein prachtvoller Stadtwagen


  1. Vgl. Klaibers Aufsatz in „Nord und Süd“ 1878. V.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 8–9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_011.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)