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     Im Gegensatz zu dieser Gleichförmigkeit zeigen die übrigen, immer noch der Tiefsee angehörigen, wenngleich weniger tiefen Teile der Route ein unruhiges Profil.

     Ich habe hieraus geschlossen, daß im Bereich der Sargassosee, wo die Tiefe so auffallend konstant ist, die Simaoberfläche entblößt ist, während den anderen Partien mit unruhigem Bodenrelief vermutlich eine Sialbedeckung von wechselnder, im allgemeinen erheblich geringerer Mächtigkeit als bei den Kontinentalschollen entspricht. Wenn man hiernach die Annahme macht, daß alle unter 5000 m Tiefe gelegenen Teile des Ozeanbodens ungefähr den freien Simaflächen entsprechen, so würde Abb. 59 die oberflächliche Verteilung des Sials und Simas am Boden des Atlantik zeigen [1].

     Dabei entsteht nun aber eine gewisse Schwierigkeit. Wenn wir nämlich annehmen, daß diese Sialmassen die Reste eines bei der Trennung in Trümmer gegangenen Streifens darstellen, so wird dieser Streifen auffallend breit. Auf der in Abb. 59 eingezeichneten Route des ersten transatlantischen Echolotprofils z. B. würden wir es mit den auseinandergezogenen Trümmern eines 1300 km breiten Streifens zu tun haben. Im Südatlantik würden wir allerdings kleinere Werte erhalten, da die mittelatlantische Bodenschwelle hier schmaler ist und beiderseits, nicht wie auf der genannten Route nur im Westen, an Tiefseebecken grenzt. Genauere Angaben werden sich erst auf Grund der Echolotungen der „Meteor“-Expedition machen lassen, aber immerhin würde man wohl auch hier auf ein in Trümmer gegangenes Zwischengebiet von etwa 500 bis 800 km kommen. Dies ist zwar nicht gerade widersinnig, erscheint mir aber doch schon


  1. Gutenberg hat unter der gleichen Annahme, daß nur die zwei Materialien Sial und Sima in Betracht kommen, eine andere Ansicht geäußert und sie als „Fließtheorie“ der Verschiebungstheorie gegenübergestellt [196]. Er glaubt, „daß eine einzige Sialscholle auf dem Sima schwimmt, das nur im Pazifischen Ozean zutage tritt“. Er rechnet also den Boden des Atlantik und Indik mit zur Kontinentalscholle und nimmt an, daß sich diese hier durch Fließen auf die Hälfte verflacht habe. Dies kann aber nicht richtig sein. Schon wenn wir die Wasserlast außer Betracht lassen, müßte die Tiefe des Atlantik (und Indik) dann nur halb so groß sein wie die des Pazifik, und durch das Wasser müßte sich der Unterschied aus isostatischen Gründen noch vergrößern. Gutenbergs Ansicht wird also durch die morphologische Gleichartigkeit des Gesamtozeanbodens und seinen Gegensatz zu den Kontinentalschollen widerlegt; auch genügt eine Annäherung der Kontinente in den Rekonstruktionen bis auf die Hälfte ihres heutigen Abstandes nicht den Forderungen der Geologie, Biologie und Paläoklimatologie, und schließlich bliebe die auffallende Kongruenz der heutigen Schollenränder rätselhaft. Weiteres siehe oben.
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Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_213.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)