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großem Interesse in anderer Hinsicht, aber diese sind doch so klein, daß wir in erster Annäherung sagen können: Die Auffaltung der Kettengebirge vollzieht sich unter grundsätzlicher Wahrung der Isostasie. Was dies bedeutet, mag Abb. 48 schematisch erläutern. Beim Zusammenschub einer im Sima schwimmenden Kontinentalscholle muß das Verhältnis von oberhalb zu unterhalb der Simaoberfläche immer das gleiche bleiben. Je nachdem wir die Dicke der um 5 km aus dem Sima herausragenden Sialdecke zu 30 oder 60 km annehmen, können wir dies Verhältnis zu 1:6 oder 1:12 angeben. Es muß also der nach unten gerichtete Teil des Zusammenschubs 6- bzw. 12mal so groß sein wie der nach oben gerichtete.

Abb. 48.

Zusammenschub unter Wahrung der Isostasie.

Was wir also in den Gebirgen sehen, ist nur ein kleiner Teil der ganzen zusammengeschobenen Masse. Es sind, bei idealer Stauchung, nur diejenigen Schichten, die auch vor dem Zusammenschub bereits über dem Tiefseeniveau lagen. Alles was unter diesem Niveau lag, bleibt auch bei dem Zusammenschub unter ihm, wenn man von Störungen absieht. Bestand also der Oberbau der Scholle aus einer 5 km mächtigen Sedimentschale, so wird auch das ganze Gebirge anfangs nur aus Sediment bestehen. Erst wenn dies durch Erosion abgetragen wird, steigt zum isostatischen Ausgleich eine Zentralkette aus Urgestein empor, bis schließlich nach gänzlicher Abfegung der Sedimentdecke ein breites Urgebirge von fast gleicher mittlerer Höhe emporgewachsen ist. Als Beispiel für das erste Stadium können der Himalaja und seine Nachbargebirge gelten. Die Erosion in diesen Sedimentfalten ist eine gewaltige, so daß die Gletscher unter dem Schutt fast vergraben sind, wie z. B. der Baltorogletscher, der größte im Kara-Korum-Gebirge, der bei nur 11/2 bis 4 km Breite (Länge 56 km) nicht weniger als 15 Mittelmoränen trägt. Im zweiten Stadium, bei dem die Zentralkette bereits aus Urgestein besteht, beiderseits aber noch von Sedimentzonen flankiert wird, befinden sich die Alpen. Da die Erosion im Urgestein viel geringer ist, sind die Alpengletscher moränenarm, eine Hauptursache ihrer Schönheit. Das norwegische

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Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_191.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)