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ein Wert, den die amerikanischen Geologen für die paläozoischen Sedimente der Appalachen berechnet haben; die andere Grenze ist Null, da an vielen Stellen das Urgebirge jeder Sedimentdecke bar ist. Clarke schätzt die mittlere Mächtigkeit auf den Kontinentalschollen zu 2400 m. Da aber heute die Gesamtdicke der Kontinentalschollen auf etwa 60 km, die der Granitschicht auf etwa 30 km veranschlagt wird, so ist klar, daß diese Sedimentdecke doch nur eine oberflächliche Verwitterungsschicht bedeutet, bei deren völliger Entfernung überdies die Schollen zur Wiederherstellung der Isostasie fast bis zur früheren Höhe ansteigen würden, so daß am Relief der Erdoberfläche wenig geändert würde.

     Die Karte darf nicht so verstanden werden, daß durch die mit der starken Linie bezeichneten Schollenränder bereits die Grenze zwischen Sial und Sima gegeben wäre. Wie im nächsten Kapitel gezeigt werden wird, sind auch die Meeresböden wahrscheinlich noch vielfach mit Sialresten bedeckt. Unter Kontinentalscholle ist hier die noch intakte, wesentlich unzertrümmerte Sialdecke verstanden, im Gegensatz zu jenen ozeanischen Sialmassen, die durch oberflächliche Zertrümmerung und in tieferen Schichten durch Auseinanderziehen oder -fließen des Materials der Form nach zerstörte Schollenteile darstellen. Man muß also unterscheiden zwischen dem allgemeineren Begriff der Sialbedeckung und dem spezielleren der Sialschollen. Nur die letzteren sind in unserer Karte zur Darstellung gebracht.

     Die eingreifendsten Veränderungen, die auf diesen Sialschollen im Laufe der geologischen Zeiten vor sich gegangen sind, sind zweifellos die wechselnden Transgressionen (Überschwemmungen) und Regressionen (Trockenlegungen), deren Spiel wesentlich an den zufälligen Umstand geknüpft ist, daß die Wassermenge des Weltmeeres gerade etwas größer ist als die vorhandenen Tiefseebecken, so daß die niedriger gelegenen Teile der Kontinentalschollen noch unter Wasser liegen. Stände der Spiegel des Weltmeeres 500 m tiefer, so würden diese Erscheinungen, die in der Geologie eine so hervorragende Rolle spielen, auf schmale Randstreifen beschränkt sein. Die heutigen Transgressionen gehen aus unserer Karte unmittelbar hervor. Geringe Niveauänderungen der Schollenoberflächen bewirken unter diesen Umständen große Verlagerungen dieser Überschwemmungsgebiete.

Im allgemeinen handelt es sich hierbei um Niveauänderungen, die den Betrag von einigen hundert Metern nicht überschreiten.

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_187.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)