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Zustand kann sich auf die Dauer nicht halten, und das Sima wird das Bestreben haben, zu strömen, um den Gleichgewichtszustand des Rotationsellipsoids herzustellen. Bei dem geringen Dichteunterschied wird wohl kaum eine Strömung möglich sein, aber die Elliptizität des Äquators und die Dichteunterschiede im Sima und somit die Strömung können in früheren Epochen bedeutender gewesen sein.“

     Es ist ohne weiteres klar, daß die aus Helmerts Ergebnis abzuleitenden Kräfte dazu dienen können, die Öffnung des Atlantischen Ozeans verständlich zu machen, da gerade hier die Erde aufgewölbt erscheint und die Massen bestrebt sein werden, nach beiden Seiten auseinanderzufließen[1].

     Es sei aber hier noch eine Überlegung angeführt, die man vielleicht als Weiterführung des bisherigen Gedankenganges betrachten darf. Solche Aufwölbungen der Erdoberfläche über ihre Gleichgewichtslage hinaus brauchen natürlich nicht nur auf den Äquator beschränkt zu sein, sondern können an jeder Stelle der Erde auftreten. Es war früher bei Besprechung der Transgressionen und ihres Zusammenhangs mit den Polwanderungen (in Kap. 8) gezeigt worden, daß wir vor dem wandernden Pol eine zu hohe, hinter ihm eine zu tiefe Lage der Erdoberfläche zu erwarten haben, und daß die geologischen Tatsachen das Vorhandensein dieser Abweichungen zu bestätigen scheinen. Auch hier handelt es sich um ähnliche Beträge, wie sie Helmert für den Überschuß der großen über die kleine Äquatorialachse gefunden hat, oder vielleicht um den doppelten Betrag. Bei schnelleren Polwanderungen scheint jedenfalls die Erdoberfläche vor dem Pol einige hundert Meter über, hinter ihm einige hundert Meter unter ihrer Gleichgewichtslage zu liegen. Das größte Gefalle (Größenordnung 1 km pro Erdquadrant) würde im Meridian der Polverschiebung an dessen Schnittpunkt mit dem Äquator herrschen, ein fast ebenso großes auch an den beiden Polen. Hierdurch werden Kräfte frei, welche die Massen von den zu hohen nach den zu tiefen Gebieten hinziehen, und diese Kräfte sind ein Vielfaches der normalen Polfluchtkraft, die bei Kontinentalschollen ja nur einem Gefalle von 10 bis 20 m pro Erdquadrant entspricht. Diese Kräfte greifen nicht, wie die Polfluchtkraft, nur an den Kontinentalschollen,


  1. Es sei aber darauf hingewiesen, daß neuerdings Zweifel daran laut geworden sind, daß die Erde wirklich ein dreiachsiges Ellipsoid ist. Heiskanen fand nämlich, daß dies Ergebnis nur durch ungünstige Kombination der Schweremessungen vorgetäuscht wird [219].
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Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_183.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)