Seite:De Wegener Kontinente 165.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ist vielleicht nicht ganz ausgeschlossen, erscheint mir aber doch wenig wahrscheinlich [1].

     Dazu kommt nun noch eine andere empirische Prüfungsmöglichkeit, nämlich mit Hilfe der Transgressionswechsel.

     Daß interne Achsenverlagerungen wegen der Ellipsoidgestalt der Erde und der verzögerten Anpassung derselben an die neue Achsenlage, während das Meer sofort folgt, mit systematischen Transgressionswechseln verbunden sein müssen,

Abb. 41.

Trans- und Regressionen bei Polwanderung.

haben schon zahlreiche Autoren, wie Reibisch, Kreichgauer, Semper, Heil, Köppen u. a., ausgesprochen. Abb. 41 erläutert dies: Da der Ozean bei der Umorientierung des Äquatorwulstes sofort folgt, der Erdkörper aber nicht sofort, muß in dem Quadranten vor dem wandernden Pol zunehmende Regression oder Trockenlegung, in dem Quadranten hinter ihm zunehmende Transgression oder Überschwemmung herrschen. Da der Äquatorradius der Erde um 21000 m größer ist als der polare, so müßte bei der etwa 60° betragenden Polwanderung zwischen


  1. Staub schreibt in seinem großen Werk über den Bau der Alpen [18; ähnlich auch in 215]: „Europa und Afrika wanderten gemeinsam nach N. Europa flieht von Afrika seit den Tagen des Perms, aber der gewaltige Koloß holt das kleine Europa schließlich im mittleren Tertiär ein, treibt die Böden des einstigen Ozeans zwischen Europa und Afrika als gewaltiges Gebirge über dasselbe hinaus und stößt es weiter nach N. Die Kontinentalverschiebung beträgt … 50 Breitengrade für Afrika und rund 35 bis 40 für Europa.“ Die Breitenänderung Europa als Kontinentverschiebung zu bezeichnen, ist eine entschiedene Begriffsverwirrung. Die Folge ist ein unbegründetes und höchst wahrscheinlich unrichtiges physikalisches Bild des Vorgangs, welches die beiden Annahmen involviert, daß 1. Europa und Afrika sich um die angegebenen Beträge über ihre Unterlage verschoben haben (Krustenwanderung Europas nach Norden, widerlegt durch die Schwereverteilung), und 2. keine innere Achsenverlagerung der Erde stattgefunden hat (unwahrscheinlich gemacht durch die systematischen Transgressionswechsel). Das Beispiel zeigt — und viele andere ließen sich hinzufügen —, wie wichtig im gegenwärtigen Stadium dieser Probleme eine scharfe Begriffsbestimmung ist.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_165.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)