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herum gelegen ist und dadurch der Erdachse ein Trägheitsmoment verschafft, das ungeheuer viel größer ist als die Trägheitsmomente, die zu den äquatorialen Durchmessern der Erde gehören. Auch die größten geologischen Veränderungen können doch nur zu Änderungen der Massenanordnung führen, die im Vergleich mit diesem Abplattungswulst von ganz verschwindender Größe sind. Bleibt letzterer also unverändert, so sieht man auch ohne Rechnung, daß die Hauptträgheitsachse der Erde nur um ganz minimale Beträge geändert werden kann. Und die Rotationsachse muß ja stets in der Nähe der Hauptträgheitsachse bleiben.

     Ich muß aber gestehen, daß es mir schwer verständlich ist, wie man heute im Ernst die Annahme machen kann, daß der äquatoriale Abplattungswulst seine Lage unverändert beibehalten sollte, als ob die Erde absolut starr wäre. Das Auftreten isostatischer Ausgleichsbewegungen und relativer Kontinentverschiebungen bezeugt zur Genüge, daß die Erde über einen endlichen Grad von Fließfähigkeit verfügt, und wenn dies der Fall ist, so muß auch der äquatoriale Abplattungswulst sich umorientieren können. Wir brauchen die Betrachtung von Lambert und Schweydar nur fortzusetzen: Nehmen wir an, der Trägheitspol sei (ohne Änderung des Abplattungswulstes) um einen geringen Betrag x durch geologische Vorgänge verschoben worden. Der Rotationspol muß folgen. Die Erde rotiert jetzt um eine von der früheren ein wenig abweichende Achse. Die Folge muß sein, daß sich der Äquatorwulst umorientiert. Wegen der Zähigkeit des Erdinnern geschieht diese Umorientierung langsam, auch ist es möglich, daß sie nicht vollständig beendet wird, sondern vorher steckenbleibt; über letzteres wissen wir nichts. Als erste Näherung werden wir zweifellos annehmen müssen, daß eine vollständige Umorientierung erreicht wird, wenn auch erst nach langer Zeit. Ist sie aber erreicht, so haben wir wieder den gleichen Zustand wie nach Eintritt der geologischen Veränderung: die geologische Ursache wirkt wiederum und verschiebt den Hauptträgheitspol wieder um das Stück x in gleicher Richtung, und das Spiel wiederholt sich in beliebig langer Folge. An Stelle einer einmaligen Verlagerung um den Betrag x erhalten wir jetzt eine fortschreitende Verlagerung, deren Geschwindigkeit einerseits durch die Größe der Anfangsverlagerung x und andererseits durch die Zähigkeit des Erdinnern bestimmt ist, und die nicht eher zur Ruhe kommt, als bis die geologische Ursache ihre Wirkung eingebüßt hat; bestand diese Ursache z. B. in dem Hinzufügen einer Masse m

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Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_163.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)