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und zwar hier an feuchten Berghängen, vorkommen. Aber einerseits ist dies kein zwingender Grund, denn Baumfarne kommen tatsächlich auch heute, wenn auch relativ selten, in den Torfmooren der äquatorialen Regenzone vor, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie hier heute nur durch besser angepaßte neuere Formen teilweise verdrängt sind, die es im Karbon noch nicht gab, und die ihnen daher den Rang nicht streitig machen konnten. Und andererseits paßt der Vergleich mit den heutigen Subtropen insofern schlecht, als diese bis auf die Monsunregengebiete am Ostrand der Kontinente trocken sind, so daß sich ein so langgestreckter Moorgürtel, wie er den karbonischen Hauptkohlen entspricht, in den Subtropen klimatisch nicht unterbringen läßt. Kohlengürtel können eben nur äquatorialem oder kühlgemäßigtem Klima entsprechen. In letzterem sind aber Baumfarne ausgeschlossen.

     Wenn endlich von manchen Autoren Potoniés Deutung aus dem Grunde in Zweifel gezogen wird, weil dieser auch bei der klimatischen Deutung der tertiären Braunkohlen geirrt habe[1], so dürfen wir hierüber wohl hinweggehen, denn der Schluß, daß, wer einmal irrt, darum stets irren muß, ist ganz gewiß noch unsicherer als Potoniés Beweisführung für die Tropennatur der europäischen Karbonkohlen.

     Dieser ganze Streit um die tropische oder subtropische Natur dieser Kohlen wird mit Gründen geführt, die nicht von zwingendem Charakter sind, was ja bei einer so alten Flora nicht zu verwundern ist. Ich wiederhole aber, daß die Lage dieser Kohlen im Abstand eines Erdquadranten von der Mitte eines zweifellos polaren Inlandeisgebietes ein durchaus zwingender Grund für ihre Entstehung im äquatorialen Regenklima ist, und zwar, wie hervorgehoben, ganz unabhängig vom Problem der Kontinentenverschiebung.


  1. Ohne mich in den Streit der Phytopaläontologen einzumischen, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, darauf hinzuweisen, daß Mitteleuropa nach der Gesamtheit der Klimazeugen im Frühtertiär zweifellos noch in der äquatorialen Regenzone, im Mitteltertiär im subtropischen (teilweise Trocken-) Klima und im Spättertiär etwa im heutigen Klima gelegen hat. Die tertiären Kohlen Mitteleuropas müssen also je nach ihrem Alter unter sehr verschiedenem Klima gebildet sein. Man sollte auch hier beachten, daß sich das Klima unvergleichlich sicherer durch die Gesamtheit der fossilen Klimazeugen aus dem damaligen Europa bestimmen läßt als durch die eine Gruppe von Zeugnissen, die die Kohlenflora liefert.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_147.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)