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der Geschichte der Menschheit auf eine solche Erklärung der Vorzeitklimate hingewiesen. Sodann wurde sie mehr oder weniger ausführlich von zahlreichen Autoren vertreten, nämlich Evans (1876), Taylor (1885), Löffelholz von Colberg (1886), Oldham (1886), Neumayr (1887), Nathorst (1888), Hansen (1890), Semper (1896), Davis (1896), Reibisch (1901), Kreichgauer (1902), Golfier (1903), Simroth (1907), Walther (1908), Yokoyama (1911), Dacqué (1915), E. Kayser (1918), Eckardt (1921), Kossmat (1921), Stephan Richarz (1926) und vielen anderen. Arldt [159] hat diese Literatur bis 1918 zusammengestellt, aber seitdem ist die Zahl der Autoren, die für Polwanderungen eingetreten sind, immer schneller angewachsen.

     Früher stieß diese Lehre innerhalb des engeren geologischen Fachkreises auf recht allgemeinen Widerspruch, und bis zu den Arbeiten von Neumayr und Nathorst hat die große Mehrzahl der Geologen Polwanderungen ganz abgelehnt. Nach den genannten Arbeiten ändert sich das Bild, indem nun unter den Geologen die Anhänger der Polwanderungen, wenn auch langsam, zahlreicher wurden, und heute steht wohl die weit überwiegende Mehrzahl der Geologen auf dem in E. Kaysers Lehrbuch der Geologie formulierten Standpunkt, daß jedenfalls die Annahme einer großen tertiären Polverschiebung „schwer zu umgehen“ ist, wenn auch einige Gegner sich noch vor wenigen Jahren mit schwer verständlicher Schärfe gegen diese Vorstellungen gewendet haben.

     So zwingend indessen die Gründe für Polwanderungen in der Erdgeschichte sind, so ist es doch andererseits unleugbar, daß alle früheren Versuche, die Lage der Pole und des Äquators kontinuierlich durch die ganze Zeitenfolge zu bestimmen, stets auf Ungereimtheiten geführt haben, und zwar von so grotesker Art, daß es gar nicht zu verwundern ist, wenn hieraus der Verdacht entstand, man befinde sich mit der Annahme von Polwanderungen überhaupt auf einem Irrwege. Solche systematischen Versuche, die meist nur von Außenseitern unternommen wurden, sind daher auch nie zur Anerkennung durchgedrungen. Es stammen solche von Löffelholz von Colberg [4], Reibisch [161] und Simroth [162], Kreichgauer [5] und Jacobitti [164]. Von ihnen hat Reibisch leider seine von der Kreide ab ganz zutreffenden Vorstellungen in die wunderliche Zwangsjacke einer strengen „Pendulation“ der Pole auf einem „Schwingungskreis“ eingekleidet, die als physikalisches Kreiselgesetz wahrscheinlich falsch, jedenfalls unbegründet ist und obendrein

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Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_133.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)