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500 m betrug. Infolge der Zähigkeit der Unterlage hinken diese Ausgleichsbewegungen natürlich stark nach: Die Strandlinien haben sich meist erst nach Abschmelzen des Eises, aber vor der Hebung des Landes gebildet, und auch heute steigt Skandinavien, wie die Pegelmessungen zeigen, noch um etwa 1 m in 100 Jahren.

     Auch sedimentäre Ablagerungen haben, wie wohl Osmond Fisher zuerst erkannte, eine Senkung der Scholle zur Folge: Jede Aufschüttung von oben führt zu einer freilich etwas nachhinkenden Senkung der Scholle, so daß die neue Oberfläche wieder fast in der alten Höhe liegt. Auf diese Weise können viele Kilometer mächtige Ablagerungen entstehen, die alle gleichwohl in flachem Wasser gebildet sind.

     Wir werden später noch näher auf die Isostasielehre eingehen. Hier sei nur so viel gesagt, daß sie durch geophysikalische Beobachtungen in solchem Umfang bestätigt worden ist, daß sie heute zum festen Bestand der Geophysik gehört und an ihrer grundsätzlichen Richtigkeit nicht mehr gezweifelt werden kann[1].

     Man sieht ohne weiteres, daß dies Ergebnis dem Vorstellungskreis der Kontraktionstheorie ganz zuwiderläuft und sich sehr schwer mit ihr vereinigen läßt. Insbesondere erscheint es hiernach unmöglich, daß sich eine Kontinentalscholle von der Größe der geforderten Zwischenkontinente unbelastet bis zum Boden der Tiefsee senkt oder das umgekehrte eintritt. Die Isostasielehre ist also nicht nur mit der Kontraktionslehre im Widerspruch, sondern insbesondere


  1. Von amerikanischer Seite, z. B. von Taylor [101] wird bisweilen unter der Bezeichnung Isostasielehre Bowies Hypothese über die Entstehung der Geosynklinalen und der Gebirge verstanden. Nach Bowies Annahme [224] tritt die erste Hebung der mit Sedimenten angefüllten Mulde, der Geosynklinale, durch ein Ansteigen der Isothermen in ihr und die damit verbundene Volumenvergrößerung ein. Sobald diese zu einer Erhebung des Landes geführt hat, setzt die Erosion ein, es entsteht ein zerschnittenes Gebirge, dessen Unterlage infolge der Entlastung immer weiter steigt. Schließlich sind durch dieses Steigen die Isothermen in übernormale Höhen hinauf verschleppt, sie beginnen abwärts zu wandern, der Block kühlt sich also ab, es findet Kontraktion und Senkung der Oberfläche statt, und aus dem Gebirge wird wieder ein Senkungsgebiet, in dem nun neue Sedimentation einsetzt. Durch diese wird die Senkung weiter fortgesetzt, bis die Isothermen eine abnorm tiefe Lage haben, wieder ansteigen usf. in mehrfachem Wechsel. Diese Vorstellung, deren Unanwendbarkeit bei den großen Faltengebirgen mit ihren Überschiebungen von Taylor u. a. hervorgehoben ist, bedient sich zwar des isostatischen Prinzips, sollte aber nicht als Isostasielehre schlechthin bezeichnet werden.
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Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_015.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)