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versammelte Volk sehr vergnüglichen Spektakel. Denn anstatt das Thier zu treffen, schlugen die blinden Menschen mit ihren Keulen auf einander los, daß sie Löcher und Beulen davontrugen. Anfangs ließen sie sich dadurch in ihrem Eifer nicht stören; auf die Dauer wurden sie aber doch zaghaftig, und nun fühlten sie zuerst vorsichtig mit der Keule hin, wo das Schwein stände, bevor sie zuschlugen. Da tödteten sie es denn zuletzt.

Ein so lachendes Fastnachtsfest hatte man in Stralsund noch nicht erlebt.

Vgl. Stralsundische Chroniken, von Mohnike und Zober, S. 8. 9.


109. Der Büttel und die grauen Mönche zu Stralsund.

Im Jahre 1516 starb zu Stralsund ein Büttel, Namens Matthias. Er war ein großer Mann mit einer absonderlich großen Nase, wie man unter vielen hundert Menschen kaum eine wiederfindet. Er war aber auch ein sehr gottesfürchtiger und frommer Mann, weshalb er ein gutes Gerücht unter den Bürgern hatte und mit ihnen zu Bier saß, und ihm Niemand etwas dagegen sagte. Als er zum Sterben kam, sandte er zu den Mönchen im grauen Kloster, um ihm die Beichte zu hören und die letzte Oelung zu geben. Es kam auch der Guardian des Klosters selbst zu ihm, benamet Johann Wrede, aus Lübeck gebürtig, und reichte ihm die Sacramente, worauf er am anderen Tage starb.

Weil er nun Zeit seines Lebens ein so gottesfürchtiger Mann gewesen, und jedermann ihm zugethan war, so sollte er ein ehrliches Grab bekommen, ob es gleich der Büttel war. Allein dagegen wehrten sich die Geistlichen der Stadt; die drei Capellane der drei Stadtkirchspiele traten zusammen bei dem Offizial, Herrn Johann Tagge,

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Nicolaische Buchhandlung, Berlin 1840, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Volkssagen_Pommern_148.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)