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und die Fundamente der Häuser gestanden haben. Einige davon sind so groß und hoch, daß sie Ellenhoch aus dem Wasser hervorragen; allda haben die Tempel und Rathhäuser gestanden. Andere liegen noch ganz in der Ordnung, wie man Grundsteine zu Gebäuden zu legen pflegt, so daß noch neue Häuser haben erbaut werden sollen, als die Stadt vom Wasser verschlungen ist.

Wie weit die Stadt der Länge nach sich in das Meer hinein erstreckt hat, kann man nicht mehr sehen, weil der Grund abschüssig ist, das Steinpflaster daher je weiter, desto tiefer in das Meer hineingeht, auch zuletzt so übermooset und mit Sand bedeckt ist, daß man es bis zu seinem Ende hin nicht verfolgen kann. Die Breite der Stadt ist aber größer als die von Stralsund und Rostock, und ungefähr wie die von Lübeck.

In der versunkenen Stadt ist noch immer ein wundersames Leben. Wenn das Wasser ganz still ist, so sieht man oft unten im Grunde des Meeres in den Trümmern ganz wunderbare Bilder. Große, seltsame Gestalten wandeln dann in den Straßen auf und ab, in langen faltigen Kleidern. Oft sitzen sie auch in goldenen Wagen, oder auf großen schwarzen Pferden. Manchmal gehen sie fröhlich und geschäftig einher; manchmal bewegen sie sich in langsamen Trauerzügen, und man sieht dann, wie sie einen Sarg zum Grabe geleiten.

Die silbernen Glocken der Stadt kann man noch jeden Abend, wenn kein Sturm auf der See ist, hören, wie sie tief unter den Wellen die Vesper läuten. Und am Ostermorgen, denn vom stillen Freitage bis zum Ostermorgen soll der Untergang von Wineta gedauert haben, kann man die ganze Stadt sehen, wie sie früher gewesen ist; sie steigt dann, als ein warnendes Schattenbild, zur Strafe für ihre Abgötterei und Ueppigkeit, mit allen ihren Häusern, Kirchen,

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Nicolaische Buchhandlung, Berlin 1840, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Volkssagen_Pommern_026.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)