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9. Der Ranisberg bei Lübeck.

Um das Jahr 1107 lebte Heinrich, Fürst der Mecklenburger. Er hatte den Fürsten Crito erschlagen lassen, und darauf dessen Wittwe, Slavina, zur Ehe genommen, mit der er schon lange im Einverständnisse gelebt hatte, und mit der er das Fürstenthum Mecklenburg bekam. Nachdem er also mächtig geworden war, da suchte er, sich auch die Herrschaft über die Rügianer zu verschaffen. Die Rügianer wollten ihm aber nicht gehorsam sein, vielmehr über ihn gebieten und sein Land haben, wie ihr Fürst Crito gehabt hatte. Derohalben brachten sie ein großes Heer und Schiffsrüstung zusammen, und zogen damit die Trave hinauf vor die Stadt Lübeck, in welcher der Fürst Heinrich lag, und belagerten die Stadt. Als das der Fürst sah, erschreckte er sich des unversehenen Ueberfalls hart. Er faßte aber bald einen Rath, und befahl seinem Hauptmann in der Stadt, er sollte ein Mann sein und die Stadt nicht aufgeben bis in den vierten Tag; er wollte ins Land ziehen und Hülfe suchen; wo er aber den vierten Tag nicht käme, und sich nicht auf einem Berge zeigte, den er ihm von der Stadt aus anwies, so möchte er thun was die Noth forderte. Darauf schlich er selbander in der Nacht aus der Stadt vor den Rügianern weg, und begab sich in das Land Holstein, wo er in der Eile Volk aufbrachte. Die führte er um die Stadt herum bis an Travemünde, denn er hatte erfahren, daß von der Seite her das reisige Zeug der Rügianer zu diesen kommen sollte, und darauf baute er eine Kriegslist.

Als nämlich nun der vierte Tag gekommen war, da ritt er auf den Berg, den er seinem Hauptmann angewiesen hatte, und gab diesem das Zeichen, daß er da wäre. Damit wurden der Hauptmann und die Bürger sehr getrost; denn die Rügianer hatten unter der Zeit mit Stürmen

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Nicolaische Buchhandlung, Berlin 1840, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Volkssagen_Pommern_018.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)