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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

und äusseren Beziehungen unserer Vernunft vor allen anderen richtig ist. Also nicht die ganze, unermeßliche, heilige Natur, denn wir erkennen sie nur in abgerissenen Theilen; nicht die leblosen Felsenmassen des Erdballs, denn auch ihnen fehlt die wesentliche, bestimmbare Einheit; nicht die gefälligeren Gestalten des Pflanzenreichs, denn ihre Form hat noch kein strenges Gesetz, aber sie sind gefesselt an der Erde mütterlichen Schoos; selbst thierisches Leben nicht, des Daseyns unbewußt, an inneren Beziehungen arm; sondern der Mensch, der sich von allem Coexistirenden unterscheidet und gleichwohl ausser sich nur Correlate seiner innern Harmonie erblickt, – der Mensch ist der höchste Gegenstand der schönheitbildenden Kunst.

     Was man auch über den Ursprung der Menschengattung wähnen mag; es sey, daß jedes Land seine Bewohner als Autochthonen aus eigenem Schlamm hervorgehen ließ, oder daß von Einem gemeinschaftlichen Stamm, oder von etlichen wenigen Urältern das ganze Heer der Nationen entsproß und sich allmälich über alle Weltgegenden verbreitete: so mußte doch bei der vielfältig verschiedenen Beschaffenheit der Länder und ihrem wirksamen Einfluß auf innere und äussere Bildung, die Gegend irgendwo zu finden seyn, wo die menschliche Organisation mit der Lage, den Erzeugnissen, dem Himmelsstrich, vor allen übrigen harmonirte, wo alles zusammenstimmte, sie zur höchsten Vollkommenheit und Schönheit zu bilden.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft9_096.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)