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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

wie das Urtheil des Kenners. Dieses, der menschlichen Natur angeborene Gefühl zeigt ihnen untrüglich in den Ueberresten antiker Kunstgebilde das Schöne des inneren Sinnes, im Schönen der Gestalt, den erhabenen Einklang, den man im glänzenden Machwerk der Neuern fast gänzlich vermißt. Was bedeutet anders die allgemeine, die laute Beschuldigung, daß Gewinnsucht und Stolz den neueren Artisten beherrschen, nicht edle Ruhmbegierde und reine Begeisterung des Schönheitssinnes? Wohin anders zielt die bittere Gegenklage der Künstler über Kälte der Zeitgenossen, über Verfall des Geschmacks, über Vervollkommnung mechanischer Gewerbe, welche das Werk der höheren Kunst entbehrlich machen, indem sie einem Luxus Genüge leisten, der keines erhabenen Schwunges fähig ist? Zu welchem andern Endzweck tritt auch die Schiedsrichterin Philosophie hervor um den Streit des Zeitalters mit den Künstlern zu schlichten? Beschuldigt sie nicht den rauheren Himmelsstrich mit seinen verkrüppelten Gestalten, seinen reizlosen Verhüllungen und der steifen Ehrbarkeit seiner gleissenden Sitten? Ja, sie beschuldigt auch jene finstere Schwärmerey, die aus Furcht vor dem Mißbrauch sich von allen Naturbestimmungen lossagen, und aus Menschen sinn- und seelenlose Maschinen schaffen möchte; sie beschuldigt endlich noch jenen weltlichen Despotismus, wo ein träges Rad alle Räder treibt und wenn dieses stockt, sie alle stocken. Eine Wirkung, wovon man überall die Ursache sucht, muß wenigstens vorhanden, und ihre Existenz von allen Seiten anerkannt worden

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft9_093.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)