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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Krieger ihre treue Pflege anzubieten eilte. Doch fesselte ihre Zärtlichkeit seinen Flattersinn, und sein enges leeres Herz fieng würklich an sich dem ächten Genuß der Liebe zu öffnen. Sie war aus einem der edeln, aber verarmten Geschlechter, deren es in Ungarn so viele giebt, welche durch Zanksucht und Hartnäckigkeit sich selbst so tief herunterbringen, daß sie den Söhnen ihrer reich gewordenen Geschäfftsführer und Advokaten fröhnen müssen. Ihr Herz war dem Manne ganz ergeben, der durch sein Vermögen über sie erhaben, sie von dem harten Schicksal der Dienstbarkeit gerettet, ihrer Schönheit und ihrer Tugend durch die Gabe seiner Hand gehuldigt hatte. In Wien blieb ihre ruhige Seele für alle die Vergnügungen unempfänglich, die bei ihrer einfachen Lebensart und Erziehung ihr bis dahin ganz fremd gewesen waren. Sie lebte eingezogen und unbekannt, der Liebe ihres Gemahls vielleicht um desto gewisser, da er auf diese Art in seinem Hause die Freuden einer glücklichen Ehe in vollem Maaße fand, und auswärts die Ungebundenheit, den sorgenlosen Sinn des unverheiratheten Standes behaupten konnte.

Indessen hatte seine andre Frau sich nicht so ruhig in ihr Schicksal zu finden gewußt, als sein Leichtsinn es erwartet hatte. Sie suchte auf die Spur ihres Flüchtlings zu kommen, und als sie mit Gewißheit herausgebracht hatte, daß er in Wien lebte, trat sie, mit den gültigsten Beweisen ihrer Ansprüche auf ihn ausgerüstet, die Reise nach der Kaiserstadt an. Dort

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft9_043.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)