Seite:De Thalia Band3 Heft9 035.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.
Das heimliche Gericht - Teil 3

Truchseß. Armer Verblendeter! Ich vergebe Euch, weil Euer blödes Auge dem geraden Gang der Ordensregel noch nicht zu folgen vermag. Wäre Sontheim mein Freund, ich würde ihn dem Gericht opfern. Aber Furcht vor kleinen Mißdeutungen wird ihn eben so wenig retten. Zwischen Eurer Freundschaft, und meiner zarten Bedenklichkeit wollt Ihr, daß der Verbrecher entgehe der Rache. Nein! die Satzungen des Gerichts sind Euern Rücksichten unzugänglich. Ich habe einen Frevel der Ungestraftheit entrissen. – Der ihn verübte, hat seine Ansprüche auf meinen Haß wie auf meine Liebe verwürkt; er ist nur das Werkzeug dieser That und das nothwendige Opfer des Gerichts: menschliche Bande können zwischen diesem Wesen und mir keine andre Gemeinschaft mehr stiften. – Ihr lacht?

Westhausen. Eine kleine Seele hinter große Gedanken flüchten zu sehen. O sagt mir, ich bitte Euch – es war ein ehrwürdiger Greis unter Euch, seine graue Weisheit sprach meiner scheuen Seele Muth und Zuversicht ein – ist auch dieser ein Betrüger, oder ist er betrogen? Antwortet mir offen. Wozu noch Zurückhaltung? Wißt Ihr denn nicht, daß Ihr mir die innersten Geheimnisse Eures Ordens verrathen habt?

Truchseß. Halt! Ich bin der Entweihungen müde; ich hab’ Euch nichts mehr zu sagen – bis wir uns wiedersehen.

(Er stößt im Abgehen auf Konrad von Sontheim, den er erst ehrerbietig vorbeiläßt.)


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft9_035.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)