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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

nur für den Augenblick zu gewinnen, und nicht mehr an sie zu denken, wenn man sie genuzt hat. Durch den schnellen Wechsel der Dinge, immer zur Betrachtung derselben aufgefordert, versäumt man, in sich zu kehren und sich selbst kennen zu lernen. Der Charakter, der sich durch das Reisen bilden soll, geht verlohren –

Balder.

Aber der Mann, der weiß, warum er reist, dessen Herz fest im Guten ist, der die Bedürfnisse seines Vaterlandes und den in demselben nicht zu ersetzenden Mangel in seinen Kenntnissen kennet, für den sind sie doch etwas sehr Vortheilhaftes?

Heimdal.

Ja, wessen Charakter einmal die Festigkeit und den innern Werth eines Diamants hat, der wird durch sie abgeschliffen, daß er auch glänzt. Aber wie vielen müßte der Weg verrannt werden, wenn nur dieser reisen sollte! Dieß ist eben der Unsinn unsers Zeitalters, daß es das, was nur den edlen und weisen Mann angenehm machen kann, als Mittel gebraucht, wodurch es ungebildete und unreife Köpfe edel und weise machen will. Daß ich gerade in diese verkehrte Welt kommen mußte, wo man den Menschen bilden will, ehe er Kräfte hat, und dadurch jede Kraft erstickt, und für die künftige Generation wird es noch ärger!

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft12_126.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)