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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

auch er Enthusiasmus und Gefühl besitze, aber entschlossen wäre, jenen nur dann ausbrechen zu lassen, wenn ihm Vernunft sein Ziel gesteckt, und diesem nur dann zu trauen, wenn es mit dem Ausspruch der Vernunft einstimmig wäre. Baldern war dieß genug, weil er doch nun gewiß war, daß Heimdal ihn verstünde, weil er sich ihm mittheilen konnte, so wie er war, dieser Aufrichtigkeit wegen sich von ihm geliebt glaubte, und zugleich einen Engel an ihm gefunden hatte, der über ihn wachte. Er liebte Heimdal, wie ein Heiliger seinen Gott, und hätte auch so für ihn sterben können. Aber eben dieses Himmlische seiner Freundschaft ließ in seinem Herzen noch für etwas Irdisches Raum, und diesen füllte die Liebe aus. Diese Leidenschaft war für ihn um so verführender, weil er allenthalben dazu eingeladen wurde. Sein Aeusseres hatte so viel Einnehmendes, und sein Betragen so viel Liebevolles, daß man wünschte, ihn für ein Ideal sittlicher Grazie halten zu dürfen, und daß man sich fast verbot, Fehler an ihm zu bemerken, damit man in dieser wohlthätigen Illusion nicht gestört wurde. Sein Verstand war helle, und wo man seine Einsicht nicht loben konnte, da gefiel doch seine Bescheidenheit. Wenn man hiezu noch eine mehr blühende als starke Phantasie und ein Herz rechnet, das an allem Antheil nimmt, was irgend jemand begegnet, so wird es zu begreifen seyn, daß er mehr geliebt wurde als Heimdal, der immer über die Sache die Person vergißt. Noch jezt hat er von seiner

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft12_104.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)