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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

uns durch das Leben führt, und der veredelte Stolz ist der Zaum, mit dem die Vernunft sie lenken kann. Nach seiner Art sich auszudrücken, wird man zwar versucht, ihm etwas Dichter-Genius zuzutrauen; er hatte ihn aber gar nicht, sondern das Bilderreiche in seiner Sprache entstand aus dem Zug seines Charakters, keine todte Erkenntniß zu haben und auf andere zu ihrem Besten zu wirken. Er giebt sich daher Mühe, für jede Wahrheit einen Ausdruck zu suchen, den das Gedächtniß leicht behält und der dem andern auffällt, er würde aber damit nicht glücklich seyn, wenn er ihn aus sich selbst schöpfen müßte, sondern seine Urtheilskraft hilft ihm nur aus dem gehörten oder gelesenen einen schicklichen aussuchen. Man wird schon aus diesem, was ich von seinem Temperament gesagt habe, erwarten, daß er fast alles von der ernsten und öfters auch von der schlimmern Seite ansieht, und daß sein Spott eher Bitterkeit als Lachlust zur Quelle hat. Sein Charakter in Liebe und Freundschaft, wird durch den Gegensatz mit Balders Charakter, zu dem wir nun übergehen, deutlicher werden, als er allein dargestellt werden könnte. Balder ist Heimdals vertrauter Freund, und er hat nichts in seiner Seele, daß er Heimdal verschwiege, und nichts in seinem Vermögen, daß er ihm nicht aufopfern würde, sobald es nöthig wäre; nur seine Liebe ist hievon ausgenommen. Der Vortheil ist aber dennoch nicht gleich, den sie wechselseitig aus dieser Freundschaft ziehn. Sieht man auf den Nutzen, so

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft12_102.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)