Seite:De Thalia Band3 Heft12 051.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Schilderung der französischen Staatsverfassung einer Satire mehr, als einer Anpreisung, und denen, die in seinen Geist eindrangen, war es schwer, sich über seine wahre Absicht zu täuschen: Für sie war die englische Konstitution das Muster einer ächten Monarchie; auch war es diese Monarchie, die Montesquieu mit Vorliebe darstellte, und mit Bewunderung anpries. Gewiß ist, daß Montesquieu für das Studium der Staatsverfassungen und für die Entdeckung ihrer Gebrechen der französischen Nation und dem ganzen Europa gleichsam einen neuen Sinn schuf. Die Englische vorzüglich ward seitdem mit allgemeiner Theilnehmung bewundert oder getadelt, und in beiden Fällen geprüft. Besonders in den neuern Zeiten stiegen Delolone, Livingston auf die Schultern ihres großen Vorgängers, und entwickelten einen seltnen Scharfsinn, jener, um ihre Vorzüge, dieser, um ihre Mängel zu zeigen. Man kann sagen, ohne Montesquieu wäre die französische Staatsveränderung niemals zu Stande gekommen, aber blos nach seinen Grundsätzen ausgeführt, wäre sie tiefer unter der Vollkommenheit geblieben, als sie gegenwärtig zu stehn scheint. Seine Lehrsätze verdammten die Tilgung des Unterschieds der Stände; auch hielten sie dieses Unterschieds Vertheidiger ihren Gegnern gleich einer Aegide vor: Mächtigere Waffen zertrümmerten die Aegide, und diese Waffen reichte Rousseau. Ehe Rousseau noch seinen gesellschaftlichen Vertrag gegeben hatte, waren Voltärens

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft12_051.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)