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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

ihre Folgen, menschliches Elend, bis in ihre verborgenste Gänge zu verfolgen, allen Reiz und alle Stärke der Sprache, des Witzes und der Empfindung, mit dem Enthusiasmus einer unwiderstehlichen Beredsamkeit angewandt, bis Rousseau den Beruf, die Menschheit zu unterrichten, in seinem Herzen fand.

Newton war der Gesetzgeber für die physische Welt gewesen: Montesquieu ward es für die politische: Jener entdeckte seine Gesetze im ewiggleichen Lauf der Natur: Dieser erfand die seinige im unstäten Gang menschlicher Leidenschaften und Meinungen. Glücklicher, als Aristoteles in seiner Theorie, weiser, als beinah’ alle Nationen in der Ausführung, zeigt’ er zuerst mit Scharfsinn und Klarheit die Absonderung der Gewalten, und diese einzige Idee macht’ ihn zum Wohlthäter des Menschengeschlechts. Allein auch das Genie, welches mit hoher Kraft eine neue Bahn bricht, bleibt immer eingeschlossen in die Gränzen menschlicher Schwäche: Das Werk der ersten Erfinder trägt immer das Gepräge der Unvollkommenheit, und ist doch weit erhaben an Verdienst über vollkommnere Nachahmungen, weil Erfinden das Schwerste ist. Oft war Montesquieu bloßer Beobacher dessen, was geschieht, statt Gesetzgeber zu seyn für das, was geschehn sollte. Frankreich ist ihm das Muster einer Monarchie, und in diesem Muster hat er nur eine gemilderte Art des Despotismus dargestellt. Ehre ist ihre Triebfeder, und

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft12_049.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)