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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Siebente Scene.

Eine abgelegene Gegend des Parks, rings um eingeschlossen, von anziehendem etwas schwermüthigem Karakter.


Hutten.
(tritt auf, mit sich selbst redend)

Daß ihr dieses Nahmens so werth wäret, als es mir heilig ist! – Mensch! Herrliche, hohe Erscheinung! Schönster von allen Gedanken des Schöpfers! Wie reich, wie vollendet giengst du aus seinen Händen! Welche Wohllaute schliefen in deiner Brust, ehe deine Leidenschaft das goldene Spiel zerstörte!

Alles um dich und über dir sucht und findet das schöne Maaß der Vollendung – Du allein stehst unreif und mißgestaltet in dem untadelichen Plan. Von keinem Auge ausgespäht, von keinem Verstande bewundert, ringt in der schweigenden Muschel die Perle, ringt der Krystall in den Tiefen der Berge nach der schönsten Gestalt. Wohin nur dein Auge blickt, der einstimmige Fleiß aller Wesen, das Geheimniß der Kräfte zur Verkündigung zu bringen. Dankbar tragen alle Kinder der Natur der zufriedenen Mutter die gereiften Früchte entgegen, und wo sie gesäet hat, findet sie eine Aernte – Du allein, ihr liebster, ihr beschenktester Sohn, bleibst aus – nur was sie dir gab, findet sie nicht wieder, erkennt sie in seiner entstellten Schönheit nicht mehr.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_126.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)