Seite:De Thalia Band3 Heft11 076.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Gesetze, Solon strafte ihn strenge. Darum reiften in Athen alle Tugenden, blühten alle Gewerbe und Künste, regten sich alle Sehnen des Fleißes, darum wurden alle Felder des Wissens dort bearbeitet. Wo findet man in Sparta einen Sokrates, einen Thucydides, einen Sophokles und Plato? Sparta konnte nur Herrscher und Krieger, – keine Künstler, keine Dichter, keine Denker, keine Weltbürger erzeugen. Beide, Solon wie Lykurg, waren große Männer, beide waren rechtschaffne Männer, aber wie verschieden haben sie gewirkt, weil sie von entgegengesetzten Principien ausgiengen. Um den atheniensischen Gesetzgeber steht die Freiheit und die Freude, der Fleiß und der Ueberfluß – stehen alle Künste und Tugenden, alle Grazien und Musen herum, sehen dankbar zu ihm auf, und nennen ihn ihren Vater und Schöpfer. Um den Lykurgus sieht man nichts als Tyranney und ihr schreckliches Gegentheil, die Knechtschaft, die ihre Ketten schüttelt, und dem Urheber ihres Elends flucht.

Der Charakter eines ganzen Volks ist der treueste Abdruck seiner Gesetze, und also auch der sicherste Richter ihres Werths oder Unwerths. Beschränkt war der Kopf des Spartaners, und unempfindlich sein Herz. Er war stolz und hochfahrend gegen seine Bundsgenossen, hart gegen seine Ueberwundenen unmenschlich gegen seine Sklaven und knechtisch gegen seine Obern; in seinen Unterhandlungen war er ungewissenhaft und treulos, in seinen Entscheidungen despotisch, und seiner Größe, seiner Tugend selbst fehlte es

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_076.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)