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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

wo der Richter über ein Gesetz das er auszulegen hatte zweifelhaft war, an die Ecclesia appellirt werden, welche dann in letzter Instanz entschied, wie das Gesetz zu verstehen sey. Von allen Tribunalen konnte man an das Volk appelliren. Vor dem dreyßigsten Jahr hatte niemand Zutritt zur Nationalversammlung; aber sobald einer das erfoderliche Alter hatte, so konnte er ungestraft nicht mehr wegbleiben, denn Solon haßte und bekämpfte nichts so sehr, als Lauigkeit gegen das gemeine Wesen.

Athens Verfassung war auf diese Art in eine vollkommene Demokratie verwandelt; im strengsten Verstande war das Volk souverain, und nicht bloß durch Repräsentanten herrschte es, sondern in eigner Person und durch sich selbst.

Bald aber zeigten sich nachtheilige Folgen dieser Einrichtung. Das Volk war zu schnell mächtig geworden, um sich dieses Vorrechts mit Mäßigung zu bedienen, Leidenschaft mischte sich in die öffentliche Versammlung, und der Tumult, den eine so große Volksmenge erregte erlaubte nicht immer reif zu überlegen und weise zu entscheiden. Diesem Uebel zu begegnen schuf Solon einen Senat, zu welchem, aus jeder der 4 Zünfte, 100 Mitglieder genommen wurden. Dieser Senat mußte sich vorher über die Punkte berathschlagen, welche der Ecclesia vorgelegt werden sollten. Nichts, was nicht vorher vom Senat in Ueberlegung genommen worden, durfte vor das Volk gebracht werden,

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_064.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)