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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Mutterliebe, keine kindliche Liebe, keine Freundschaft – es gab nichts als Bürger, nichts als bürgerliche Tugend. Lange Zeit hat man jene spartanische Mutter bewundert, die ihren aus dem Treffen entkommenen Sohn mit Unwillen von sich stößt, und nach dem Tempel eilt, den Göttern für den gefallenen zu danken. Zu einer solchen unnatürlichen Stärke des Geistes hätte man der Menschheit nicht Glück wünschen sollen. Eine zärtliche Mutter ist eine weit schönere Erscheinung in der moralischen Welt, als ein heroisches Zwittergeschöpf, das die natürliche Empfindung verläugnet, um eine künstliche Pflicht zu befriedigen.

Welch schöneres Schauspiel giebt der rauhe Krieger Cajus Marius in seinem Lager vor Rom, der Rache und Sieg aufopfert, weil er die Thränen der Mutter nicht fließen sehen kann!

Dadurch daß der Staat der Vater seines Kindes wurde, hörte der natürliche Vater desselben auf, es zu seyn. Das Kind lernte nie seine Mutter, seinen Vater lieben, weil es schon in dem zärtesten Alter von ihnen gerissen, seine Eltern nicht an ihren Wohlthaten, nur von Hörensagen erfuhr.

Auf eine noch empörendere Art wurde das allgemeine Menschengefühl in Sparta ertödet, und die Seele aller Pflichten, die Achtung gegen die Gattung, gieng unwiederbringlich verlohren. Ein Staatsgesetz machte den Spartanern die Unmenschlichkeit gegen ihre Sklaven

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_048.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)